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Ein bißchen Glasnost

Auf ihrer Bilanzpressekonferenz bemüht sich die Deutsche Bank um Offenheit / Gleichzeitig redet sie ihre Geschäftserfolge schlecht  ■ Aus Frankfurt Donata Riedel

Hilmar Kopper liebt die großen Worte. Eine „neue Ära der Berichterstattung“ sei angebrochen, sagt der Deutsche-Bank-Chef am Gründonnerstag. Dabei geht es lediglich um ein bißchen Glasnost bei der Bilanzpräsentation des mächtigsten deutschen Geldinstituts. Etwas mehr, als das neue Bankbilanz-Gesetz fordert, bekommen die Journalisten im unterkühlt-klimatisierten großen Saal unter den Frankfurter Zwillingstürmen serviert – und das Ganze außerdem etwas eher als nach dem transparenteren europäischen Recht vorgeschrieben.

Erstmals also legt die Deutsche Bank selbst eine vollständige Liste aller Beteiligungen an Unternehmen vor, an denen sie 20 Prozent und mehr hält. 616 Gesellschaften umfaßt das alphabetisch und nach Kategorien der Verbundenheit geordnete Verzeichnis, in dem hochkarätige Industriebeteiligungen wie die an Daimler-Benz (1993: 28,24 Prozent, heute 24,4 Prozent) und am größten deutschen Baukonzern Philipp Holzmann (25,86 Prozent) ebenso auftauchen wie der Golf-Club Margarethenhof am Tegernsee. Nicht enthalten sind allerdings die zahlreichen 10-bis-20- Prozent-Beteiligungen in der Wirtschaft, zu denen die Allianz, die Münchner Rück, Karstadt, Horten, Dynamit-Nobel, Südzucker, Hapag-Lloyd, Linde, die Metallgesellschaft u. a. zählen.

Und auch die Ära der Geheimniskrämerei darüber, welche Herren Professoren und Unternehmensführer den Deutschbankiers über die Beiräte in 16 deutschen Städten verbunden sind, hat im „Verzeichnis der Beiratsmitglieder“ auf umweltfreundlichem Papier ihr Ende gefunden.

Im Geiste der Transparenz verriet Kopper sogar, daß sich das wesentlich größere Geschäft außerhalb der offiziellen Bilanz abspielt. 1,3 Billionen Mark schleust die Deutsche Bank jenseits der 1993er Bilanzsumme von 556,6 Milliarden Mark durch ihre weltweiten Geldspeicher. Das, so Kopper, sei nicht viel: Schweizerische Kreditinstitute würden eher das Siebenfache der Bilanzsumme als außerbilanzielles Geschäft realisieren, in den USA reiche diese Quote bis zum 30fachen, während die Deutsche Bank bloß das 2,4fache nicht in der Bilanz auftauchen läßt. Für die Geldgeschäfte, die Eingang in die 556,6-Milliarden-Konzern-Bilanz gefunden haben, weist die Deutsche Bank vor Steuern einen Gewinn von 4,6 Milliarden Mark aus – 23 Prozent mehr als 1992. Davon zahlt sie 2,4 Milliarden Mark Steuern. Daß derart satte Gewinne für das Jahr 1993, in dem die tiefste Rezession der westdeutschen Nachkriegsgeschichte herrschte, obszön wirken, ist auch in den oberen Etagen der Glas- und Stahlbetontürme am Main angekommen.

„Im Inland haben wir ein ganz schlechtes Jahr gehabt“, betont Kopper mehrfach. Bloß keine Freude aufkommen lassen, signalisiert die verhaltene Tonlage auf dem Podium, auf dem die zwölf Herren und eine Dame, die den Vorstand bilden, in einer langen Reihe sitzen. Gleichgültig leiert Kopper die Erfolgszahlen herunter. Und der für den Geschäftsbereich „Treasury“ zuständige Vorstand Ulrich Cartellieri mischt eine Nuance Traurigkeit in die Stimme beim Herunterlesen seines Statements zur Wirtschaftslage: „Für die Binnenkonjunktur ist noch keine Besserung zu erwarten.“

„Wer die Zahlen der Deutschen Bank ausschließlich in Beziehung zum wirtschaftlichen Geschehen in Deutschland setzt, versucht, das Wesen der Ozeane durch die Analyse eines Glases mit Wasser zu ergründen“, hält Kopper der Presse vor. „Nur 40 Prozent des Gewinnzuwachses“ habe die Deutsche Bank im Inland erzielt, sagt Kopper dann aber doch ganz offen – was bei einem Gewinnzuwachs von 863 Millionen Mark auch nicht nichts ist. Nicht aus dem Gewinnzuwachs, sondern aus den Steuervorteilen durch das Standortsicherungsgesetz bekommen die Aktionäre eine um 1,50 Mark erhöhte Dividende von 16,50 Mark je 50-Mark-Aktie ausgeschüttet.

Bereits im letzten Jahr hatte sogar die zurückhaltende Bundesbank die Geschäftsbanken dafür kritisiert, daß sie bei Leitzins-Senkungen zuallererst die Zinsen auf Guthaben senken, während sie die Kredite nur „zögerlich und abgeschwächt“ verbilligten. Die Deutsche Bank konnte auch im Rezessionsjahr 1993 den Zinsüberschuß um 7,4 Prozent oder 807 Millionen Mark, auf 11,706 Milliarden Mark steigern.

Die Tatsache Rezession nutzt die Deutsche Bank in ihrer 1993er Bilanz zum Steuernsparen. 3,3 Milliarden Mark, doppelt soviel wie 1992, steckt sie in die Risikovorsorge: Schließlich drohen der deutschen Wirtschaft etliche Pleiten und damit der Deutschen Bank Kreditausfälle. Bank-Arbeitsplätze hat das „schwierige Umfeld“ im Inland allerdings schon 1993 gekostet: von 59.916 sank die Personalzahl auf 56.905.

„Weiter rationalisieren und Kosten senken“, will Kopper auch in diesem Jahr. Ihre Beteiligungen in „bankfernen Geschäftsfeldern“ wird die Deutsche Bank internationalisieren. Daraus erklärt sich auch das Bemühen um mehr Offenheit. In der angelsächsischen Finanzwelt, die die Spielregeln auf den Weltmärkten geprägt hat, gilt die Deutsche Bank als Symbol für den deutschen Filz aus Großbankiers und Industriellen, die ausländische Kapitalinvestitionen abblocken, wo sie nur können.

Als global player müssen sich aber auch die Deutschen an die von US-Amerikanern vorgegebenen Spielregeln halten, nach denen man durchaus wirtschaftliche Macht haben darf, aber der Öffentlichkeit das Recht auf Information darüber einräumen muß. Auch in der „neuen Ära der Berichterstattung“ tun sich die Deutschbankiers damit schwer. So hatte die Nachrichtenagentur Reuters die Bilanzzahlen schon einen Tag vor deren offizieller Bekanntgabe aus einer undichten Stelle der Bank erfahren und veröffentlicht. Für dieses unbotmäßige Verhalten wurde sie von der Bilanzpressekonferenz ausgeladen: Was die Öffentlichkeit wann erfährt, ist schließlich Sache der Deutschen Bank.

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