Unterm Strich

Bei so vielen Leichen in den Kellern und Vorstadtvillen des Rock 'n' Roll ist es manchmal auch eine Freude, von positiven Lebensgeistern zu lesen: so wie etwa über Tori Amos. Der rotgelockte Wonneproppen hat am Samstag abend in Berlin die Deutschland-Tour begonnen. In einer Kirche. Nun könnte man solcherlei Gruftambitionen unter sakralem Hippiegedöns abheften (Arlo Guthrie ließ schon zu „Alice's Restaurant“ schwere Biker zur Hippie-Hochzeit durch die Kapelle brummen), wäre die Charlottenburger Trinitatis-Kirche nicht ausverkauft gewesen. Und hätte nicht Amos den Abend, Kurtchen nachrufend, mit „Smells Like Teen Spirit“ eingeleitet. Aber sonst singt sie ja auch über Liebe, Sexualität, Gewalt und mehr.

Ebenfalls auf Tour ist Nicaraguas Priester und Dichter Ernesto Cardenal mit seiner Musikgruppe „Grupo Sal“ und dem deutschen Schauspieler Karl-Heinz Gabor. Zugleich wird im Peter Hammer Verlag das neue Buch des literarischen Kirchenmannes erscheinen, was am 14. April um 20 Uhr dann in der St.-Reinoldi- Kirche zu Dortmund in eine Konzertlesung mündet.

Bis ins gottesfürchtige Nocera-Sarno werden Amos und Cardenal mit ihrer Christothek nicht mehr kommen. Wegen „unpassender Kleidung“ der weiblichen Zuhörerschaft hat der dortige Bischof Gioacchino Iliano Klassikkonzerte in den Kirchen seiner Diözese verboten. Eine Kirche sei kein Konzertsaal, erklärte der Bischof den Veranstaltern vom Tourismusamt. Und überhaupt: oftmals trügen Frauen bei den abendlichen Veranstaltungen großzügige Ausschnitte und hohe Absätze. Smells like holy spirit.

Die Militärseelsorger indes wollen nicht mehr Seite an Seite mit Panzern der Bundeswehr für Frieden missionieren: „Die gewaltfreie Förderung des Friedens muß Vorrang vor allen anderen Bemühungen haben“, so der Beschluß des Kirchenparlaments am Ende seiner Frühjahrstagung im Johannesstift Spandau. Damit griff die Synode eine Debatte auf, die zwischen den ost- und den westdeutschen EKD-Gliedkirchen wegen der unterschiedlichen historischen Erfahrungen geführt wird: Gehört die Kirche an die Front? Und wenn ja, für wen? Da es bislang noch zu keiner Einigung gekommen war, hatte der zuständige EKD- Ausschuß im vergangenen Jahr zwei unterschiedliche Modelle formuliert. Nach Modell A sind und bleiben die Militärpfarrer Bundesbeamte, das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr ist eine nachgeordnete Behörde des Bundesverteidigungsministeriums. Bei Modell B stehen die Soldatenseelsorger im unmittelbaren Dienst der EKD. Ganz im Sinne der Mutter Courage, die eigentlich eine Theresa ist, hat sich das Berlin-Brandenburgische Kirchenparlament für Modell B ausgesprochen. Damit bleiben die 150 EKD- weit tätigen evangelischen Pfarrer als beamtete Militärseelsorger Hirten ihres eigenen Herrn, und über allem Rühe ist Ruhe. Amen.