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Die hohe Kunst der Beleidigung

■ Wer einen Film mit diesem Gespann ohne Not verpassen würde, muß ein kompletter Idiot sein oder aber blind: „Ein verrücktes Paar“ – Jack Lemmon und Walter Matthau sind als sich hassende Nachbarn zurück

In der New York Times vom 12. Juni 1960 erzählte Billy Wilders Co-Autor I.A.L. Diamond, wie sie kurz nach dem Abschluß von „Some Like It Hot“ auf der Suche nach einem neuen Vehikel für Jack Lemmon waren: „Unsere Argumentation war denkbar einfach – wir hatten das Gefühl, daß niemand bei Sinnen sein kann, der einen Film mit Jack Lemmon verpassen würde.“ Heraus kam der Welterfolg „Das Apartment“. Ein paar Jahre später, 1965, stand Lemmon in Wilders herrlich böser Satire „Der Glückspilz“ das erste Mal gemeinsam mit Walter Matthau vor der Kamera. Danach war klar, daß jemand, der ohne Not einen Film mit dem Gespann Lemmon/Matthau verpassen würde, entweder ein kompletter Idiot oder aber blind sein müßte. Ihre beste Komödie ist immer noch „Ein seltsames Paar“ (1968). Mit diesen Szenen einer Männer-WG werden die beiden bis heute identifiziert. Es folgten „Extrablatt“ (1974) und „Buddy Buddy“ (1981). Inzwischen bringen es die beiden auf etwas über 140 Lenze, aber sie geben sich frisch und bissig wie eh und je. Der Kriegsschauplatz ist diesmal das kleine Städtchen Wabasha in Minnesota. In Minnesota, so erzählen die Einheimischen, gibt es drei Jahreszeiten: Juni, Juli und Winter. Für die Nachbarn John Gustafson (Jack Lemmon) und Max Goldman (Walter Matthau) dauert der Winter jetzt schon 56 Jahre, so lange sind sie frostig zerstritten. Sie grüßen sich zwar jeden Morgen, aber schon in diesem Gruß bringen sie eine kleine Gehässigkeit unter. John und Max finden das größte Vergnügen darin, einander aufzulauern, in Verlegenheit zu bringen, lächerlich zu machen, möglichst mehrmals täglich. Außerdem kennen sie alle mehr oder weniger subtilen Formen persönlicher Beleidigungen. Natürlich sind sie Kumpel, auch beim Eisfischen, doch gerade dabei gibt es wunderschöne Möglichkeiten, den anderen zu demütigen oder mal eben einen stinkenden Fisch auf dem Rücksitz des Nachbarn zu deponieren. So streiten die beiden also giftig vor sich hin, als eines schönen Wintertags die attraktive Witwe Ariel Truax (Ann-Margret) ins nächste Nachbarhaus zieht und die Sache völlig aus dem Ruder läuft. Die Hormone der alten Kampfhähne spielen verrückt, von nun an überbieten sie sich in hoffnungslos-komischen Balztouren der ebenso schönen wie exzentrischen Dame gegenüber. Die verteilt ihre Sympathien zunächst gerecht ...

„Ein verrücktes Paar“ („Grumpy Old Man“) ist natürlich für Lemmon und Matthau maßgeschneidert worden. Dem Werk des jungen Drehbuchschreibers Mark Steven Johnson sieht man an, daß er sehr genau Neil Simons („Ein seltsames Paar“) Komödien studiert hat. In Simons Stücken ist die Grundstimmung, aller Situationskomik und allen pointierten Dialogen zum Trotz, immer melancholisch bis pessimistisch. Die Schlagfertigkeit seiner Figuren verdeckt deren Verzweiflung nur dürftig. Witz und Ernst halten sich die Waage. Sie verführen zum Lachen und Nachdenken zugleich. Mark Steven Johnson schafft das noch nicht, aber er ist nahe dran. Egal, wer „altmodische“ Filme mag, wird aufs angenehmste bedient, und noch ein Tip: Das Kino auf keinen Fall vor Ende des Abspanns verlassen. Karl Wegmann

Donald Petrie: „Ein verrücktes Paar“. Mit Jack Lemmon, Walter Matthau, Ann-Margret, Daryl Hannah u.a.; USA 1993, 104 Min.

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