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Schwere Jungs im Nacken

■ taz-Sponsoring nach „Druck gegen Rechts“: Bremer Fußballfans reisten nach Leeds und waren schwer beeindruckt

Kennen Sie das Gerücht, nach dem der Bau des Kanal-Tunnels zwischen England und Frankreich auf eine Initiative britischer Fußballfans zurückgeht? Vorteil des Tunnels: Schnellere Rückzugsmöglichkeiten nach Schlägereien in Stadien auf dem Kontinent, aber auch nicht mehr dieses elende Geschaukel auf den Fähren, welches in Verbindung mit Alkohol oftmals zu regelrechten Brech-Orgien an der Reling führte. Die britischen Hooligans haben so ihren ganz speziellen Ruf. Doch zwölf junge Bremer Fußball-Fans und zwei Mitarbeiter vom „Fan-Projekt Bremen“ wissen jetzt mehr.

Anfang April reisten sie für zehn Tage auf die britische Insel. Genauer: Nach Leeds, in eine Stadt die durch Stadienrandale bekannt und leider auch „für die Unterwanderung der Fans durch die rechtsextremistische National Front (NF) gefürchtet war“, so Projekt-Mitarbeiter Manfred Rutkowski.

Lange war die zweite Studienreise mit Bremer Fans nach England nicht finanzierbar. Wurde die erste Tour im Oktober 1992 noch aus EG-Mitteln bezahlt, „waren 1993 die Töpfe leer“, erzählt Rutkowski, „und wir hatten wenig Hoffnung, unsere Kontakte mit britischen Fans auszubauen“. Einen Lichtblick gab es Ende letzten Jahres: „Da kam dann Kollege Albrecht Lampe von der Bremer taz und zeigte sich sehr interessiert an unserer Arbeit.“

In Zusammenarbeit mit der taz wurde ein gemeinsames Programm entwickelt. Und aus der taz-Sonderbeilage „Druck gegen Rechts“ gingen 10.000 Mark an die engagierten Fans.

Rückblende: Ende der 80er Jahre kommt es in England - und durch schlagkräftige Mithilfe englischer Fans auch auf dem Kontinent - zu einer schwarzen Serie von Unglücksfällen in den Stadien. Am 11. Mai 1985 sterben 56 Menschen in- folge eines Tribünenbrands in Bradford. Beim Spiel zwischen Liverpool und Turin am 29. Mai 1985 in Brüssel kommen 39 Menschen ums Leben, 400 werden schwer verletzt. Weitere schwere Unfälle folgen. Der englische Fußball wird daraufhin für einige Jahre aus europäischen Fußball-Wettbewerben ausgeschlossen. 1991 fuhr der Bremer Manfred Rutkowski zum ersten Mal auf die Insel. „Nach der Brand-Katastrophe von Hillsborough (95 Tote und 200 Schwerverletzte) im April 1989 gab es eine Schockwirkung im Land“, erzählt Rutkowski, „die Situation in den Stadien muß brutal gewesen sein und mit deutschen Verhältnissen nicht zu vergleichen.“

Infolge der Todesfälle wurden von Vereinen und Kommunen sogenannte „Communitiy Officers“ eingesetzt, die sich um die Fans kümmern sollten. Die Bremer Fans merkten jedoch schnell, daß sich die Fan-Arbeit dort stark vom Bremer Konzept unterschied. „Wir stellten fest, daß die da eine reine Arbeit mit Kindern und nicht mit den Älteren machen. Ehemalige Profis trainieren mit den Kids und das war's. Die tun sehr viel, haben riesige Supporter Clubs (Fan-Clubs) mit bis zu 6.000 Mitgliedern. Das wäre hier undenkbar.“ Rutkowski weiter: „Doch sobald im Stadion jemand unangenehm auffällt, kümmert sich nur noch die Polizei um ihn.“

Nach den Katastrophen der 80er wurde in England ein Gutachten über die Sicherheit in den Stadien entwickelt, bekannt als „Taylor-act“. Projekt Mitarbeiter Thomas Haffke: „Sämtliche Stadien sind dort nach den Unglücken umgebaut worden. So wird es in England bald beispielsweise keine Stehplätze mehr geben.“

Die Bremer zeigen sich schwer beeindruckt von den besichtigten Sicherheitsvorkehrungen. Drei Stadien in Leeds und Manchester wurden dabei unter die Lupe genommen. Daß es heute um den britischen Fußball relativ ruhig scheine, führen sie auch auf massive Änderungen bei den Sicherheitsbestimmungen zurück. Thomas Haffke: „Die können mit ihren Video-Kameras in jede Ecke des Stadions gucken.“ Aber auch ein kompliziertes Eintrittssystem, „sowie massive Strafandrohungen bei Vergehen tun ihr Übriges.“

Rosig erscheint den Bremern die dortige Situation nicht. Fan Markus: „In Leeds sahen wir eine Massenschlägerei mit 46 Verletzten“, so der 21jährige. „Wir hatten auch den Eindruck, daß Schlägereien momentan von den Vereins-Offiziellen geleugnet werden.“ Möglicher Grund: Die Europameisterschaft 1996 im eigenen Lande könnte gefährdet sein. Markus: „Dann standen da in Leeds hinter uns im Stadion ein paar schwere Jungs. Mit zehn Skins im Nacken fühlst Du Dich schon ein bißchen unwohl...“.

Und so gab es beim Spiel Leeds gegen Newcastle, einem emotional beladenen Lokal-Duell, auch schonmal die bekannten rechten Urwald- und Affengeräusche, wenn ein schwarzer Spieler des Gegners den Ball berührte. Doch überwiegend habe man die Rechten nur aus der Distanz gesehen. Beim abendlichen Gespräch im Pub herrschte Einigkeit zwischen Deutschen und Engländern: „Completely stupid – Ein Spiel zwischen den Ländern an Hitlers Geburtstag“, berichtet der mitgereiste Thomas, „und dann auch noch in Berlin...“ „The Nazi-Game“, hätten englische Blätter getitelt. Und: „Aufmärsche deutscher Nazis in der Bundeshauptstadt!“

In Leeds traf man sich mit der Gruppe „Marching ALTOgether“, sowie einer Wirtschaftswissenschafterin aus Manchester, die über den deutschen und britischen Fußball arbeitet. „Die Leute von „Marchin ALTOgether“ sind eine Gruppe von 15 Fans, die mit ihrer Initiative gegen Rassismus und Faschismus auf eigene Faust begonnen haben“, erzählt Manfred Rutkowski. Offizielle Fanclubs hätten nach ihrer Einschätzung das Problem des Rassismus im Fußball zu lange geleugnet und verharmlost.

„Die haben mit einem anti-rassistischen Fan-Magazin angefangen“, schildert Rutkowski das Gespräch mit den Briten, „und verteilten es aus Angst vor den Rechten mit weichen Knien vor dem Stadion.“ Doch statt Prügel gab es viel Unterstützung, was nicht selten dazu führte, „daß sich die offiziellen Stellen den Erfolg von ALTOgether zu gerne selbst an die Brust heften.“

Und in Bremen? Da sieht es für die Leute vom Fan-Projekt gut aus. Rutkowski: „In der Bremer Ostkurve ist Rechtsextremismus im Moment kein Thema. Falls etwas passiert, wird sofort eingegriffen. Außerdem ist unser Projekt mit den Fans sehr verwurzelt. Bei Problemen setzt man sich zusammen und überlegt gemeinsam, was getan werden kann.“ Da schält sich für Rutkowski auch der wesentliche Unterschied zu den Ansätzen in England heraus: die Jugendarbeit. „Wenn etwas aus der Szene kommt“, erklärt Rutkowski, „dann ist das zehnmal besser, als wenn irgend ein Pädagoge ein kompliziertes Programm entwickelt.“

André Hesel

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