: Trotz Bauhaus-Recherche: Adolf Meyers vergessenes Projekt wiederentdeckt
Das Anliegen selbst ist ja wirklich ehrenrührig: Man will einem Architekten endlich zu seinem Recht in der Architekturgeschichte verhelfen. Es sollte mit der Ausstellung und dem Katalogbuch zu Adolf Meyer (nicht zu verwechseln mit Hannes Meyer, Bauhaus-Direktor 1927 bis 1930) im Bauhaus-Archiv Berlin genau dies geleistet werden. Das Ergebnis ist ein fast 500 Seiten starker Katalog, umfangreicher als irgendein Buch über Walter Gropius. Aber bei seiner Durchsicht überrascht doch, daß man so gut wie alle Projekte darin kennt: eben weil sie unter der Federführung von Gropius ausgeführt wurden, mit dem Meyer gut 15 Jahre zusammengearbeitet hatte.
Warum ausschließlich von Gropius bearbeitete Projekte aufgeführt sind, macht das Unternehmen zur Rettung Adolf Meyers nicht logischer. Um den originären Beitrag Meyers zu zeigen, mußte das Ausstellungsprojekt dezidiert auf die Zeit von 1925 bis zum frühen Tod Meyers 1929 eingehen. Nur in dieser Phase hatte er einige Entwürfe allein zu verantworten, und ihre Anzahl ist verschwindend gering. Genau hier setzen die Ausstellung und der Katalog mit akribischer Recherche an. Daß nun für diese wenigen Jahre auch wenig herausspringen würde, war klar. Und daß die Beiträge nicht wirklich revolutionär im damaligen „gropiusschen Sinne“ sind, ist eher sympathisch.
Daß aber ein schon seinerzeit publiziertes Objekt bei dem Unternehmen des Museums und vor allem der Bearbeiterin des Katalogs übersehen wurde, ist fast peinlich, schon weil dieses Buch als opus magnum gedacht ist. Nun kann bei einer Forschungsarbeit immer etwas übersehen werden – in diesem Falle ist dieser Umstand allerdings nicht zu entschuldigen. Wurde doch das Buch, in dem das jetzt fehlende Meyer-Projekt 1926 auf einer ganzen Seite abgebildet ist, eben vom Bauhaus-Archiv selbst schon einmal im Reprint neu herausgegeben – und zwar im Jahre 1980 mit einem Nachwort des derzeitigen Direktors des Archivs (des ausstellenden Museums also), Dr. Peter Hahn.
Adolf Meyer erhält in diesem Nachwort gar ein extra Plätzchen: aber nun, nach 14 Jahren, scheint sich niemand mehr dieses Entwurfes von Adolf Meyer für einen Kindergarten in Thüringen erinnern zu wollen. Die taz reproduziert hier also exklusiv dieses Projekt und schickt der Korrektheit halber auch die bibliografische Angabe zu dem erwähnten Buch hinterher, dessen Titel bezeichnenderweise eben auch in der langen Literaturliste des Katalogbuches fehlt: „Junge Baukunst in Deutschland – Ein Querschnitt durch die Entwicklung neuer Baugestaltung in der Gegenwart“. Herausgegeben von Heinrich de Fries. Otto Stollberg, Verlag für Politik und Wirtschaft, Berlin 1926: Zwei Meyer-Projekte auf den Seiten 56 und 57. (Kraus-Reprint, München 1980, initiiert vom Bauhaus-Archiv; Nachwort Dr. Peter Hahn, zu beziehen über das Bauhaus-Archiv Berlin). Martin Kieren
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