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Lohnender Kraftakt auf provisorischer Bühne

■ Regie-Examen im „Doppelpack A“: „Agrippina“ und „Der Bär“ in der Zeise-Halle

Wenn es so weitergeht, kann man sagen: Klassenziel erreicht! Was die beiden Examenskandidaten zur Erlangung ihres Diploms im integrierten Studiengang „Theaterregie“ von Universität und Theaterhochschule als Regieproben im „Doppelpack“ zeigen, würde manchem Stadttheater wohl zur Ehre gereichen.

Die sechsköpfige Prüflingsklasse, die seit Jahren unter dem Titel Sixpack firmiert, stattete für die Präsentation ihrer Werke den Eingangsbereich des universitär genutzten Zeise-Hallen-Flügels mit zwei provisorischen Bühnen aus. Ein lohnender Kraftakt.

Zuerst war in Regie von Christian Schlüter das Trauerspiel Agrippina zu besichtigen, 1665 von Daniel Casper von Lohenstein im edlen Versmaß des Alexandriners verfaßt. Und, oh Wunder, es läßt sich gar erquicklich und spaßig an. Die Reime flutschen flüssig über eine schräg in die Höhe weisende, geniale Rampe mit allerlei Kläppchen und Falltüren.

Die höchst einfallsreich illustrierte Story vom macht- und sexgeilen Kaiser Nero sprudelt fast wie eine Comedy Show. Dirk Ossig zeigt ihn mal am Rande der Debilität, dann wieder getrieben von Begierden, die er erst zögerlich, später zunehmend skrupellos durch seine absolute Macht befriedigt. Almut Götz als seine Mutter Agrippina ist seine eisige Gegenspielerin, die nicht duldet, daß das Söhnchen ihren Intrigenspielen zunehmend entwächst. Sie büßt mit dem Tod, der Kaiser ist noch mächtiger. Und es wird klar, daß seine „Getreuen“, deren Spielball er anfangs zu werden schien, in Zukunft unter ihm nicht mehr viel zu lachen haben werden.

Der Brand Roms - bekanntlich wird Nero nachgesagt, die Stadt abgefackelt zu haben - wird im Bild vorausgenommen. Das Zündeln übernehmen Stellvertreter. „Der Plot ist fast Dallas-mäßig“, meint der Regisseur. Kein Zufall also, daß die Krone, in deren zweifelhaftem Glanz sich manch schräge Figur sonnt, an die Strahlen um das Haupt der Freiheitsstatue erinnert. Bei Kaisers wurde nur vorweggenommen, was heute die Magnaten unterm demokratischen Deckmäntelchen weitertreiben.

Bühnen- und Szenenweczhsel nach der Pause. Mascha Pörzgen widmete sich flott dem Schwank-Einakter Der Bär von Anton Tschechov. Ein angedeutetes Wohnzimmer: Irgendwie „gestern“ signalisiert das Grammophon und irgendwie „heute“ signalisiert die moderne Uniform auf dem Kleiderständer.

Irina Alex wuselt als junge Witwe ruhelos durch das Ambiente, faselt von ewiger Einsiedelei und nährt die nun schon sieben Monate währende Trauer um den verblichenen Gatten. Man ahnt es, die Haltung ist Attitüde. Sie will der schon früher an der Untreue des Mannes zerbrochenen Liebe im Nachhinein etwas beweisen. Als ein Gläubiger sich gewaltsam Zutritt verschafft, kippt die Szenerie schnell um.

Sebastian Faust als Gutsbesitzer will eben noch sein Geld, bald schon aber lieber diese Frau, die sich in Verteidigungshaltung fast mit ihm duelliert. Das hat der Bonvivant noch nie erlebt. Beider Sinne verwirren sich, in- und miteinander. Ihre Handlungen laufen ihren Worten immer mehr davon. Die Pistolen kaum aus der Hand, fallen die beiden einander in die Arme. So kann's gehen, eh' man sich's versieht.

Ludwig Hugo

Weitere Termine von „Doppelpack A“ 30., 31. Mai; jeweils 19 Uhr

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