: Das Eltern-Coming-Out
■ Warum sich Mütter und Väter von Homos zur Selbsthilfegruppe zusammenfanden
Seit fünf Jahren treffen sich Eltern von Homosexuellen jeden dritten Freitag im Monat im Bremer Rat-und-Tat-Zentrum. Vier Mütter und ein Vater aus Achim, Delmenhorst und Weyhe erzählten der taz, wie sie lernen mußten, mit dem Schwulsein ihrer Söhne umzugehen; die einzige Mutter der Gruppe mit einer lesbischen Tochter war nicht dabei.
Wie war das denn für Sie, das Coming-Out Ihrer Söhne?
Gerlinde Voigt: Mein Sohn Peter stand damals kurz vor dem Abi und meinte, er hat Probleme. Und dann hab ich ihm das auf den Kopf zugesagt. Wir hatten schon vorher das Gefühl, daß es möglich sein könnte, haben es aber immer wieder vom Tisch gewischt, so auf die Tour: Das ist weit weg, das passiert doch bei uns nicht.
Rosemarie Knebel: Also unser Sohn hat mit 15 so 'ne Bemerkung an den Zeitungsrand geschrieben hat, so in der Art: Schwul ist schön. Als ich ihn denn fragte, was das bedeuten soll, sagte er, ja, er wäre eben auch schwul. Ich hab mich dann immer wieder damit beruhigt, daß ich mir sagte, erstens ist er erst 15, und dann sind ja bei uns immer die Mädchen rein- und rausgegangen... Im Nachhinein wissen wir, daß das sehr wohl ein ganz typisches Zeichen ist für das Schwul-sein.
Werner Knebel: Ablenkungsmanöver. Nun muß man dazu sagen, daß wir dachten, er packt's vielleicht nicht. Wir schickten ihn zu einem Jugendpsychiater. Nicht, daß wir meinten, er könnte umge-krempelt werden, sondern daß er selber damit einfach nicht fertig wird. Aber in der Therapie hat Christian überhaupt keine Antworten auf seine Fragen gekriegt.
Ihr Sohn hat mit Ihnen darüber geredet?
Rosemarie Knebel: Am Anfang wollte er nicht darüber reden, zumindest nicht mit uns. Er hat uns die Adresse hier gegeben, und gleich dazu gesagt: Ihr geht nicht für mich, sondern ganz alleine für Euch dahin.
Sie haben damals die Elterngruppe gegründet.
Ursula Schulze: Ich war ja völlig ahnungslos. Nachdem mein Sohn mir das gesagt hatte, hab ich vier Monate ewig rumgeheult, hab mich dann hier im Rat-und-Tat-Zentrum gemeldet. Ich war auf der Suche nach einer Mutter in der gleichen Situation. Sie kannten hier aber keine. Ich wurde zur Buchhandlung geschickt, und da stand ich dann vor dem Fach „nur für Männer“. Und der Verkäufer, das fand ich unheimlich toll von dem, der legte dann das Buch an der Kasse über Kopf und tütete das gleich ein. Und da hab ich mir gedacht, mensch, der Stefan, der Junge, der hat so viele Jahre zwei Leben geführt, also das seine, und hat daneben uns vorgemacht, er wäre ein normaler Sohn. Also, das mag ja niemand hören, dieses normal, das ist ja normal. Und das hat mir dann Mut gemacht, per Anzeige Eltern zu suchen.
M. L.: Bei mir war das auch ein richtiges Coming-Out. Ich war beim Arzt, bei der Therapeutin, dann kam ich hierher. Das war schon heavy, erst dieses Haus, dann nennen die das auch noch Homolulu, ich traute mich lange nicht rein. Damals dachte ich noch, man hilft mir, wenn man mir sagt, „das geht wieder weg“.
Hatten Sie denn auch Angst?
Gerlinde Voigt: Meine ersten Gedanken waren gar nicht mal, o Gott, die Schande, sondern, was wird der jetzt für ein Leben führen. Wenn man so von den Skinheads hört, und daß die Schwulen verprügelt werden...
Rosemarie Knebel: Bei mir war Aids die erste Panik. Ich hatte auch die verrücktesten Vorstellungen, Treffen in den Parks oder die Einsamkeit. Und dann diese Angst, wird er einen Partner fürs Leben finden oder alleine bleiben? Oder wie wird's im Beruf?
M. L.: Also für mich war Aids nicht die größte Panik. Meine Tochter ist hetero, und die ist genauso gefährdet. Bei mir war die größte Angst: Was denken die anderen.
Das haben Sie jetzt abgebaut.
M. L.: Ich hab alle systematisch eingeladen und gesagt, ich muß ihnen was erzählen. Im Kegelverein hab ich das dann nur denen gesagt, mit denen wir näher befreundet sind.
Gerlinde Voigt: Dann ist das da aber auch rum.
M. L.: Ja, das ist mir dann aber auch egal.
Ursula Schulze: Das wird immer besser. Man wird immer freier. Man steht mehr dazu, man wird stärker, man wird kämpferischer. Sind Sie auch bereit, sich für Ihre Söhne zu engagieren?
Ursula Schulze: Wir haben an den Senat geschrieben, uns für's Rat-und-Tat-Zentrum ein bißchen eingesetzt. Ein Elternpaar hat bei einem NDR-Film mitgemacht. Ich bin jetzt angesprochen worden, mit dem Christopher-Street-Day. Da haben sie uns allerdings ein bißchen sehr spät benachrichtigt. Sonst könnte man mal mit 'nem Transparent mitgehen.
Und wo sind da Ihre Männer?
Ursula Schulze: Manche machen mit, die meisten aber tun sich da schwerer. Meiner meinte, man muß da nicht drüber reden.
Gerline Voigt: Bei uns ist das so, mein Mann und mein Sohn, die sich früher nie angefaßt haben, umarmen sich jetzt schon mal. Mein Mann genießt das richtig.
Gespräch: Silvia Plahl
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen