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Rudi, Rudi, Rudiiii ...

■ Auf ihrem Parteitag feiern die Sozialdemokraten die suggestive Kraft ihres Vorsitzenden

Halle (taz) – „Jetzt geht's los“: Auf dem gestrigen SPD-Parteitag in Halle sorgten die Sprechchöre der Delegierten für Stimmung wie auf dem Fußballplatz. Frenetisch gefeiert wurde der Kanzlerkandidat – und seine Rede. Über eine Stunde lang hatte Rudolf Scharping die Genossen unter Strom gesetzt: Mit massiven Angriffen gegen die Regierung Kohl und der ungewohnt offensiven Propagierung künftiger Reformpolitik gelang es dem bislang eher drögen Kanzler-Herausforderer, das angeschlagene Selbstvertrauen seiner Partei zu renovieren. „Wer den Kopf hängenläßt, kann nicht nach vorne schauen“, flößte Scharping den Delegierten neues Selbstvertrauen ein. Belohnt wurde der Kandidat mit einem herausragenden Vertrauensbeweis: 479 der 502 Delegierten wählten den Vorsitzenden zum Kanzlerkandidaten. Das Regierungsprogramm wurde fast einstimmig angenommen. Die Delegierten billigten es ohne große Änderungen. Es war bereits zuvor in den Gliederungen diskutiert worden.

Bereits zuvor hatte Scharping die Koalitionsdebatte der vergangenen Wochen beendet. Unter dem Jubel der Delegierten erklärte er, eine Koalitionsaussage werde es nicht geben, weil die SPD im Wahlkampf keiner Partei ein Stück ihrer eigenen Reformprogrammatik überlassen werde. Die Grünen kritisierte er vor allem wegen ihrer finanzpolitischen Vorschläge, mit denen der gesellschaftliche Reformwille nicht bestärkt, sondern abgeschreckt werde.

Reformwille, das war in Halle erstmals Chefsache. Die Prognosen mögen so schlecht sein wie in den vergangenen Wochen, die Delegierten ließen sich ihren neugewonnenen Optimismus nicht nehmen. „Man hat schon Pferde kotzen sehen“, so eine Delegierte aus Bayern. Hans-Jochen Vogel resümierte weniger flapsig: „Die anderen haben zu früh gejubelt.“ Tagesthema Seite 3 und Seite 10

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