: Discover the Grips-Movement
■ Das Grips-Theater feiert sein 25jähriges Jubiläum
Mit dem Kinderstück „Stokkerlok und Millipilli“ begann die Geschichte des Grips-Theaters. Am 17. Mai 1969 wurde das Stück von Rainer Hachfeld und Volker Ludwig mit Musik von Birger Heymann im ehemaligen Theater für Kinder im Reichskabarett aufgeführt. Zwar war dort bereits seit 1966 regelmäßig Kindertheater zu sehen, und „Grips“ nannten sich die Macher erst ab 1972. Aber „die Geschichte des Grips-Theaters ist die Geschichte seiner Stücke“, so Volker Ludwig. „Und die beginnt nun mal mit Stokkerlok.“
Zuvor bestand das Kindertheater in der Bundesrepublik „fast ausschließlich aus lustlos bis angeekelt verabreichten Weihnachtsmärchen“ (Ludwig). Dabei seien Kinder doch von „nichts mehr begeistert, als sich selbst mit ihrem alltäglichen Ärger im Mittelpunkt zu sehen, für voll genommen zu werden, zu entdecken, daß es anderen nicht anders geht als ihnen, und daß – so die heimliche Überschrift über alles, was wir produzierten – die Welt veränderbar ist.“ Weitaus weniger begeistert zeigten sich konservative Politiker, Lehrer und viele Eltern, die sich von einer gezielten Hetzkampagne gegen das Grips Mitte der 70er Jahre beeindrucken ließen.
Von „kommunistischer Indoktrination“, „linksradikalem Agitprop für geistig wehrlose Kinder“ über „Baader-Meinhof-freundlich“ bis zu „Zwangsmethoden der Nazizeit“ mußten sich Ludwig und sein Ensemble so ziemlich alles anhören. Aber Prominente wie der Regisseur Peter Stein, der damalige HdK-Präsident Ulrich Roloff oder Schaubühnendirektor Jürgen Schitthelm riefen zur Solidarität mit den Grips-Leuten auf. Und – any promotion is good promotion – bald waren die Vorstellungen voller als je zuvor.
Heute, wo Kinder- und Jugendtheatermacher mehr um eine „erwachsenengerechte“ Ästhetik bemüht sind und weniger um didaktische Inhalte, wird der Grips-Theaterstil allem Publikumserfolg zum Trotz zuweilen belächelt. Aber im Ausland, wo inzwischen mehr Grips-Stücke gespielt werden als bei uns, spricht man noch fast ehrfürchtig von einem „Grips Movement“, das das Kinder- und Jugendtheater revolutioniert hat und ihm ein nicht-bildungsbürgerliches Publikum erschlossen hat.
Eine Best-Of-Revue am vergangenen Dienstag bildete den Auftakt zu fünf Tagen Feiern, Fest und Diskussion. Musikalisch wurde ein Bogen um 25 Jahre Theatermachen geschlagen, ergänzt durch anekdotenhafte Erzählungen von Volker Ludwig (die übrigens alle in dem wunderschönen Grips-Jubiläumsbuch „Theatergeschichten“ nachzulesen sind) und Videos von früheren Produktionen und Politikerreden. An jenen Hetzkampagnen gegen die vermeintlichen Jugendverführer hatte sich auch Eberhard Diepgen fleißig beteiligt – jetzt zum Jubiläum gratulierte er herzlich.
Theatermacher aus Indien, Neuseeland, den Niederlanden oder Kanada, die das „Grips Movement“ in ihr Land geholt haben, nehmen an einem Colloquium über die (heutigen) Möglichkeiten für ein subversives Kinder- und Jugendtheaters teil; der Film „Daffke“ mit und über Inge Deutschkron in der Regie von Wilfried Kolneder wird an diesen Tagen uraufgeführt; aktuelle Produktionen im eigenen Haus und im Podewil werden gezeigt. Der Abschluß ist den Kleinsten gewidmet, nach einem großen Grips-Kinder- Sommerfest am Sonntag ist es mit dem Feiern erst einmal vorbei.
Dann werden sich die Gripsler um den Ausbau ihres Hauses am Hansaplatz kümmern – eine Schildbürgergeschichte für sich, denn das Gebäude steht unter Denkmalschutz als typisches Bauwerk der 50er Jahre (was es da wohl zu schützen gibt?) und darf eigentlich nicht erweitert werden. Jetzt soll es einen Anbau geben, der nach 15 Jahren wieder abgerissen werden muß. Von August bis November weicht das Grips deswegen ins Hebbel Theater und ins Schloßparktheater aus. Übrigens: Mit dem Einzug ins Schloßparktheater spielt das Grips zum ersten Mal seit einem Verbot von Stadtrat Friedrich Mitte der 70er wieder in Steglitz! Anja Poschen
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