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Zuchthäusler, Irre und Frauen ausgeschlossen

■ Eine ausländische Frau soll entgegen alter Tradition in Bremen Ehrenbürgerin werden

setzen und kostenlos schwimmen gehen dürfen

Zuchthäusler, Irre, Juden und Frauen ausgeschlossen – das galt in Bremen so lange, wie die Gemeinde mit Stadtrecht überhaupt Bürgerrechte verlieh. Für Frauen, die so selbstverständlich keinen Anspruch auf die bremischen Bürgerrechte hatten, daß das in der republikanischen Verfassung von 1849 nicht einmal gesondert erwähnt werden mußte, lebt die alte Tradition noch immer weiter: Vor rund 200 Jahren wurde die Idee der Ehrenbürgerschaften in Anknüpfung an die Bürgerrechte geboren – und bis zum heutigen Tag gibt es nicht eine weibliche Ehrenbürgerin der Stadt. Stattdessen zieren die Liste Namen wie Fürst Otto von Bismarck, Paul von Hindenburg, Oberst von Lützow, Wilhelm Kaisen oder auch Adolf Hitler – letzterer wurde allerdings, nachdem er wie in unzähligen anderen Gemeinden und Städten am 20. März 1933 zum Ehrenbürger ernannt wurde, stillschweigend per Bürgerschaftsbeschluß 1946 wieder gestrichen.

Nun muß endlich eine Frau her, und zwar eine ausländische: Dies hat jetzt der Verein zur Förderung des Petitionsrechts gefordert. Bisher sei die Ehrenbürgerschaft von den Entscheidungsträgern der Stadt an Personen verliehen worden, die sich in wirtschaftlicher, politischer, kultureller oder militärischer Hinsicht besonders um die Stadt verdient gemacht hatten - oder aber an politische und militärische Prominenz mit hohem aktuellem Kurs, der sich die Stadt durch die Auszeichnung andiente. „Da schlägt sich schon eine gewisse politische Grundeinstellung nieder“, so Günther Eisenhauer vom Petitionsrechtsverein. Mit der Ernennung einer ausländischen Frau, so erhofft sich der Verein, soll nun dieses „Relikt des Obrigkeitsstaates“ demokratisiert werden.

In einer Petition – ein Mittel, das allen BürgerInnen offensteht – ruft nun der Verein die Bremische Bürgerschaft auf, die Ehrenbürgerschaft einer Frau zu verleihen, „die in ihrer Person, ihrer alltäglichen Lebenspraxis und ihrem Engagement ein Beispiel gibt für das Zusammenleben von Deutschen und Ausländern in der Stadt“. Ein konkreter Name wird ebenfalls vorgeschlagen, aber nicht öffentlich genannt: „Damit soll die Idee erstmal im Grundsatz diskutiert werden, und nicht der konkrete Vorschlag zerredet werden“, so Eisenhauer. Seiner Meinung nach könnte die Gemeinde damit „zu erkennen geben, was sie für entscheidend hält“ – quasi in Aufarbeitung dieser bestehenden Liste, die so einige unglückliche Namen enthält.

Wohl nicht aus Zufall hält Bremen sich allerdings bei der Verleihung von Ehrenbürgerrechten zurück: 1966 wurde als letztem August Hagedorn, Ex-Präsident der Bürgerschaft, diese Ehrung zuteil. In anderen Städten allerdings werden damit Zeichen gesetzt – so darf in Hamburg seit neuestem Rudolf Augstein die Privilegien eines Ehrenbürgers nutzen: nämlich kostenlos die öffentlichen Schwimmbäder benutzen und Museen besuchen. skai

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