: Häftlinge beenden Hungerstreik
■ Zugeständnisse der Innenverwaltung zur Verbesserung der Bedingungen in der Abschiebehaft in der Kruppstraße
Das unerwartet rasche Einlenken der Behörden machte es möglich: Nach Zugeständnissen der Innenverwaltung haben die bis zuletzt knapp 50 hungerstreikenden Häftlinge im Abschiebeknast in der Kruppstraße gestern mittag ihre Protestaktion abgebrochen. Ein Sprecher der Häftlinge sagte, die Gefangenen warteten jetzt ab, „ob auch tatsächlich etwas passiert“. Der Hungerstreik werde sonst gegebenenfalls wieder aufgenommen. Die Polizei bestätigte, daß keiner der insgesamt 176 Insassen die Nahrung länger verweigert. Aus Protest gegen die zum Teil unzumutbaren Haftbedingungen waren am vergangenen Mittwoch zunächst 29 Gefangene des dritten Stockwerks und später auch Häftlinge der darunterliegenden Etage in einen unbefristeten Hungerstreik getreten.
Mit dessen Abbruch reagierten sie auf Äußerungen von Innenstaatssekretär Armin Jäger (CDU), der am Montag auf einer Sondersitzung mit Fraktionsvertretern, dem Polizeivizepräsidenten Dieter Schenk und der Ausländerbeauftragten Barbara John (CDU) in die Rolle des Deeskalationsstrategen schlüpfte: Jäger erklärte hernach, einige Forderungen seien erfüllt worden oder könnten nunmehr umgesetzt werden: kurzfristige Einrichtung von Münztelefonen in jedem Trakt, Bereitstellung von heißem Wasser und mehreren Waschmaschinen, freie Arztwahl sowie Erhöhung der Zahl der Rasierapparate auf 24. Jedem Häftling wird seit gestern, so Jäger, zudem täglich eine Stunde Freigang gewährt. Geprüft werde auch, ob eine Sozialarbeiter-Stelle geschaffen werden könne. Die gleichfalls bemängelte Besuchsregelung könne aber nicht verbessert werden. Wegen der „Raum- und Personalsituation“ müßten Besuche weiterhin auf dreißig Minuten begrenzt bleiben. Auch könnten nicht mehr Fernseher aufgestellt werden, da es an Gemeinschaftsräumen fehle. Es werde künftig aber darauf geachtet, daß „längerfristige Häftlinge“ nicht vom Fernsehen ausgeschlossen blieben. Mit Blick auf Klagen von Häftlingen, sie würden bei Haftprüfungsterminen im „Dreiminutentakt“ und ohne Rechtsbeistand abgefertigt, versprach er, sich mit der Justizverwaltung in Verbindung zu setzen.
Unterdessen hat Mohammed Saghir, der am Freitag in den Polizeigewahrsam Gothaer Straße verlegt worden war, seinen Durststreik beendet. Er verweigere aber weiterhin die Nahrungsaufnahme, so Ismail Kosan, ausländerpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Gesundheitszustand des Libanesen, der nach Darstellung der Polizei Häftlinge unter Androhung von Schlägen am Essen gehindert haben soll, sei „nicht beängstigend“, so eine Polizeisprecherin.
Die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und PDS begrüßten die angekündigten Verbesserungen. Selbst Kosan, der die zuständigen Stellen immer wieder scharf kritisiert hatte, lobte „die Einsicht“ des Senats, „eigene Fehler einzugestehen“. Eckhardt Barthel von der SPD sieht „das Grundproblem“ noch nicht gelöst: „Die Verweildauer der Abzuschiebenden ist zu lang, und nicht jeder, der in Abschiebegewahrsam ist, müßte dort sitzen.“ Frank Kempe
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