: Wo die Millionen wegrieseln...
■ Von der Flughafen-Fehlplanung bis zur Grunau-Pleite: Bruchstücke aus einer Sitzung der Bremer Wirtschaftsförderungsausschüsse
„Als die Pflasterarbeiten mit Granit begannen, hat man gemerkt, daß das kein Bitumen war.“ So einfach und überzeugend begründete Wirtschaftssenator Jäger gestern die Tatsache, daß die neue Zufahrt zum Flughafen 1,6 Millionen mehr kostet als bisher bewilligt waren. Früher habe, wohl wegen des Wörtchens „Hafen“, der Flug-Hafen zum Häfenressort gehört, das Hafenamt hatte nach seinen Maßstäben Asphalt kalkuliert - die Flughafen-AG aber nach Flughafen-Maßstäben Granit-Pflaster bestellt.
Auch die Planungskosten für kommerzielle Planungs-Büros seien, als die Flughafen-AG die Federführung übernahm, nicht berücksichtigt worden - die Planungen durch das Häfenressort wären umsonst gewesen, jedenfalls rechnet so die Staatskasse. Weil die Flughafen-GmbH die Planungen übernommen habe, stehen jetzt Rechnungen über 2,3 Mio ins Haus. Im Wirtschaftsressort hatte es zunächst eine Begründung für die erforderliche Nachbewilligung der 5 Millionen gegeben, die die ganze Schuld dem Häfenressort anlastete. „Drei Wochen haben wir hier rotiert“, erklärte Jäger, schließlich kam einer höflicher formulierte zweite Fassung heraus.
Nicht so überzeugt waren die grünen Koalitionspartner von der Idee, auf die Park-Tiefgarage Lübecker Straße (3,1 Mio) noch ein Geschoß (0,7 Mio) draufzusatteln. Der Beirat Östliche Vorstadt hatte widersprochen, die Grünen erreichten einen Monat Aufschub für ein neuerliches Beirats-Votum. Während der BrePark-Geschäftsführer den Bedarf für die zusätzliche Etage mit 28 Plätzen damit begründete, daß dann die Tiefgarage (45 Plätze) mit einem Tor für die Anwohner reserviert werden könnte, glaubte Wirtschaftssenator Jäger, es würde damit der Forderung der Kaufleute Rechnung getragen, „mehr Parkplätze“ zu schaffen.
2,5 Millionen spendierten die Wirtschaftsförderer für neue Fahrspuren und Ampeln an der Kreuzung Neuenlander Straße unter der Überschrift: „Anbindung GVZ“. 1995 wird das möglichwerweise umgesetzt. Immerhin würde bald ein Hinweisschild auf das GVZ aufgestellt, spottete Jäger, das ganze Thema sei „ein großes Trauerspiel“.
Der Ausbau der Bremerhavener Fischereihafenschleuse darf geplant werden (3 Mio), ob sie später gebaut wird, ist aber noch offen. Mit 4 Mio fördert Bremen einen „Handwerkerhof“ in Bremen-Nord. 90.000 Mark schießt das Wirtschaftsressort bei, um Altschulden des Kulturzentrums KITO in Bremen-Nord zu begleichen. Auch in anderen Punkten machten wie Wirtschaftsförderer Kulturpolitik: 450.000 Mark darf das kulturelle Rahmenprogramm der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 3. Oktober kosten. Mit 200.000 Mark fördern sie das Musikfest in Bremerhaven.
Da in wenig mehr als zwei Stunden 30 Tagesordnungspunkte zu bewältigen waren, muß es Zuschlag auf Zuschlag gegangen sein: Sanierung der Glocke - 33 Mio. Planungsmittel für die Straßenbahn-Linien 2, 4 und 6. Dem Bremerhavener Unternehmer Kramer werden netterweise die Grunau-Altlasten abgenommen - 3,35 und 3,5 Mio weg. Die Multi-Media-Initiative Bremen kriegt einen Zuschuß. Die Ausstellung „Edward Hopper“ einen Zuschlag aus dem „Veranstaltungsfolds“. Und so weiter - „Wirtschaftsförderung“ ist das Etikett für die Töpfe, in denen es noch Geld gibt.
Niemand hat sich beschwert, daß ein Packen Beschlußvorlagen erst am Freitag verteilt wurden, freute sich Jäger. Da es aber den anderen Ressorts manchmal zu schnell geht, wollen die über die Software verfügen, mit denen das „Investitions-Sonder-Programm“ (ISP) und das „Wirtschaftspolitische Aktionsprogramm“ (WAP) geplant werden - 600.000 Mark bewilligten die Parlamentarier, die auch kaum noch durchblicken, dafür.
KlausWolschner
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