Italiens Sommer-Posse geht weiter

■ Berlusconis Plan zur Interessentrennung bereits gescheitert / Craxi zu achteinhalb Jahren verurteilt

Rom (taz) – Schlag auf Schlag geht es zu im italienischen Polittheater: nichts will Regierungschef Silvio Berlusconi mehr gelingen, die Justizbehörden arbeiten auf vollen Touren bei der gnadenlosen Verfolgung von Korruption, und dazu gab es eine klägliche Lösung bei den Neuwahlen der Spitze in der Nachfolgepartei der aufgelösten Democrazia Cristiana. Wäre da nicht die tropische Hitze und das Volk gerade im Aufbruch in die Augustferien, die Italiener müßten sich wohl die Totalpleite ihrer Politiker eingestehen.

Regierungschef Berlusconi, noch bis vor 14 Tagen als unfehlbarer Siegertyp gefeiert, steckt wohl in der tiefsten Krise seines Lebens. Nicht nur, daß sein Versuch, politisch Korrupten und Korrumpierern Straffreiheit zu verschaffen, danebengegangen ist, nicht nur, daß seit Freitag abend sein Bruder Paolo, für den er wenige Stunden zuvor noch eine Ehrenerklärung abgegeben hatte, vor den Untersuchungsrichtern Bestechung von Finanzbeamten in Höhe von umgerechnet mehreren hunderttausend Mark zugeben mußte und seither in Hausarrest sitzt – auch der am Wochenende vollmundig erklärte Plan zur Interessentrennung von Amtsgeschäften und Wirtschaftsimperium ist bereits Makulatur, bevor er realisiert werden kann. Sein Vorschlag, ein vom Staatspräsidenten und den Vorsitzenden von Senat und Abgeordnetenhaus ernanntes fünfköpfiges Garantengremium zu bilden, wurde vom Staatspräsidium sofort zurückgewiesen und findet auch nicht die Zustimmung der Ligen, die mit Berlusconi in der Regierung sitzen.

Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro wies darauf hin, daß das Staatsoberhaupt laut Verfassung keinerlei Recht zur Ernennung irgendwelcher Amtsträger besitzt (mit Ausnahme seiner Mitarbeiter im Präsidialbüro). Die norditalienischen Ligen betrachten die Maßnahme als Augenwischerei: Sie fordern die definitive, nicht nur vorübergehende Trennung Berlusconis von seinem Imperium sowie ein Antitrust-Gesetz, das künftig die Entstehung eines solchen Superreiches und speziell einer solchen Medienmacht wie der Berlusconis nicht mehr zuläßt.

Mindestens ebenso schwer wiegt für Berlusconi das am Wochenende verkündete Urteil gegen seinen engsten Freund, den ehemaligen Chef der Sozialistischen Partei und Ex-Ministerpräsidenten Bettino Craxi: achteinhalb Jahre wegen Beteiligung am betrügerischen Bankrott der 1982 mit einer Milliarde Dollar pleitegegangenen Banco Ambrosiano. Eine ebenso hohe Strafe bekam Craxis Parteivize, der ehemalige Justizminister Claudio Martelli – und das noch dazu in Verbindung mit einem der schillerndsten Dunkelmänner der italienischen Geschichte, dem Chef der illegalen Geheimloge Propaganda 2, Licio Gelli, der sechseinhalb Jahre erhielt.

Craxi, im fernen Tunesien sicher vor dem Zugriff der Behörden, spuckt Gift und Galle und hat bereits brisante Enthüllungen angedeutet – er macht Berlusconi, dem er einst viel geholfen hat, persönlich dafür verantwortlich, daß es nicht gelungen ist, die anstehenden Verfahren rechtzeitig abzubiegen.

Gering ist da der Trost, den Berlusconi aus der eben erfolgten Neuwahl des Vorsitzenden der italienischen Volkspartei (in Nachfolge der aufgelösten Democrazia Cristiana) schöpft: da wurde mit dem Philosophen Rocco Buttiglione zwar ein Anhänger der Öffnung hin zu Berlusconi gewählt. Doch der Mann gilt als ein enger Vertrauter des Papstes und führt die Volkspartei in eine schwere Zerreißprobe – gerade 55 Prozent bekam er gegen den Vertreter der Parteilinken Nicola Mancino, in der Fraktion kommt er auf nicht einmal 30 Prozent.

Am morgigen Dienstag ist die nächste Runde im italienischen Sommertheater fällig: Da wollen die Ligen ein eigenes „Gesetz Berlusconi“ einbringen. Es könnte der Anstoß für den Sturz der gesamten Regierung sein. Werner Raith

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