Tuttifrutti der Kleingärtner

■ Von Verbraucherzentrale organisierte Obstbörse bringt Früchte unter die Leute und ist für manchen mehr als ein Zubrot / Kommerzielle Anbieter ohne Chance

Knackig, rot glänzend und einfach zum Reinbeißen hängen die kleinen Früchtchen in Massen am Baum. Die Äste biegen sich förmlich unter ihrer sauren Last. „Meine Schattenmorellen“, sagt Gertrud Ritter mit Stolz im Blick, „meine Schattenmorellen sind die besten.“ Schon 90 Jahre alt ist die rüstige Dame. Und so sehr sie ihren Garten auch liebt, wie früher kann sie eben doch nicht mehr darin werkeln. Das Pflücken der Kirschen überläßt sie jetzt lieber anderen, ebenso das Einmachen der Ernte. „Ist doch schade, die ganze Pracht verkommen zu lassen. Da hab' ich mir gedacht, geb' ich meine Kirschen eben weg“, lacht sie fröhlich. Die Obstbörse kam ihr da gerade recht.

Wie Gertrud Ritter haben bisher 50 andere Anbieter das Angebot der Obstbörse genutzt, um Früchte und Gemüse an die Frau und den Mann zu bringen. Schon zum 19. Mal organisiert die Berliner Verbraucherzentrale den Austausch unter Privatleuten. Kommerzielle Anbieter haben dabei keine Chance. Denn der Handel zum Sonderangebot ist Domäne der Kleingärtner, die ihre überschüssige Ernte abgeben. „Bei uns melden sich Studenten, junge Familien und Rentner, die preisgünstig Obst einkaufen möchten. Wir geben ihnen dann die Telefonnummern der Anbieter, und alles andere machen die Leute dann unter sich aus“, sagt Kirsten Wojack, Mitarbeiterin der Verbraucherzentrale. 164 Anfragen hat sie in der ersten Woche gezählt. „Ein bißchen weniger als im Vorjahr, aber das liegt wohl am Wetter. Und außerdem läuft die Aktion ja bis Oktober“, ist das Fazit der jungen Studentin. Der Renner auf dem Obstsektor sind derzeit saisonbedingt Sauerkirschen, Johannisbeeren und Stachelbeeren. Von allem hat Ingeborg Däntschel reichlich. Doch der Verkauf ihrer Ernte aus dem Garten hinterm Haus ist für sie mehr als ein Zubrot.

„Von dem Geld kann ich wieder ein paar Monate leben und meine Waschmaschine reparieren“, sagt die 60jährige. „Meine Rente reicht nicht aus, und zum Sterben ist es dann doch zuviel. Also verkaufe ich, was ich kann.“ 2,50 Mark nimmt sie für das Kilo Kirschen. Was da bei 40 Pfund zusammenkommt, macht nicht reich, aber Frau Däntschel ist zufrieden. „Ich hab' ja auch noch meine Stachelbeeren und Johannisbeeren. Außerdem ist es auch schön, mal andere Gesichter zu sehen.“

Seit drei Jahren macht sie bei der Börse mit, und mittlerweile hat sie schon einen festen Kundenstamm. Wer sich auf den Weg zu ihr nach Zützen, einem kleinen Dorf in der Nähe von Lübben macht, wird mit Kaffee und Kuchen empfangen. „Die jungen Leute sind mir am liebsten. Lustig und höflich sind die. Das bringt doch Abwechslung“, freut sie sich. Im nächsten Jahr ist sie wieder dabei.

Wer Lust auf Kirschen aus Nachbars Garten hat oder sein eigenes junges Gemüse loswerden will, kann sich jeden Dienstag und Freitag zwischen 9 Uhr und 16 Uhr bei der Verbraucherzentrale unter der Berliner Rufnummer 211 92 30 melden. Die Vermittlung findet nur telefonisch statt, ist dafür aber auch kostenlos. Tanja Stidinger (ADN)