: Helmut Behnel, die Henne, das Ei und Kuttula
■ „Crash-Kid-Papa“ in U-Haft / 79 Straftaten / Verteidiger: „Alles olle Kamellen“
„Ich hoffe, damit ist das Damo–klesschwert endlich von mir genommen“, hatte Helmut Behnel vor gut sechs Wochen gesagt, nachdem das Amtsgericht ihn zu einer Geldstrafe von 1000 Mark für Schwarzfahren in drei Fällen und Anstiftung zum Klau einer Akte verurteilt hatte. Die Hoffnung trog. Am Montag wurde der als „Crash-Kid-Papa“ bekannte 48jährige verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm 79 Straftaten vor, darunter sexuellen Mißbrauch von Kindern in drei Fällen. Da Verdunkelungs- und Wiederholungsgefahr bestehe, soll Behnel laut Staatsanwalts-Sprecher Rüdiger Bagger bis zum Prozeß in U-Haft bleiben.
„Ich kann sehr schnell etwas schreiben, aber nicht so schnell einen Haftbefehl erlassen“, erwidert Bagger auf die Frage der taz, warum die Staatsanwaltschaft gerade jetzt zuschlägt. Denn seit der ersten Strafanzeige des Amts für Jugend sind über zwei Jahre vergangen. Und Verdunkelungsgefahr besteht auch nicht erst seit vorgestern, hatte doch ein Jugendlicher bereits vor einem Jahr die Rücknahme seiner Aussage damit erklärt, Behnel habe gedroht, daß seinen Pflegeeltern etwas passiert.
Bagger führt als ein Hindernis der Ermittlungen die „stark differierenden“ Aussagen der Jugendlichen an, die Helmut Behnel mal belasten und dann wieder entlasten. Auch die taz veröffentlichte im letzten Herbst Aussagen von zwei Jugendlichen, die diese später wieder zurücknahmen. Vier andere Jugendliche blieben allerdings bei ihrer Aussage, Behnel habe sie für Liebkosungen und Diebesgut mit Hasch bezahlt. Nach der jüngsten BGH-Rechtsprechung ist die Abgabe von Drogen an Jugendliche ein „Verbrechen“, für das es eine Mindeststrafe von einem Jahr gibt. Bei konsequenter Anwendung des Gesetzes müßte Behnel mit einer Gefängnisstrafe rechnen.
In Sozialarbeiterkreisen wurde nicht mit der Verhaftung des selbsternannten Jugendbetreuers gerechnet - hartnäckig hielt sich das Gerücht, es gebe eine „schützende Hand“ ganz oben, die eine konsequente Strafverfolgung verhindere. Behnel selbst hatte Vertrauten gegenüber verkündet, er verfüge über belastende Informationen, die ihn selbst schützten. Die erfolgte Verhaftung spricht gegen diese These. Die einzige Institution, die Behnel in den letzten Monaten belastete, war das finnische Jugenddorf Kuttula, in dem auch fünf Hamburger Jugendliche untergebracht sind. Der Vorsitzende vom Verein Kuttula-Deutschland ist zufällig Nachbar von Behnel und nach eigenen Aussagen Belastungszeuge für den Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs. Hypothese der Kuttula-Fans im Amt für Jugend: Behnel habe eine Verleumdungs-Kampagne gegen das Jugenddorf inszeniert, um sich zu rächen.
Für Behnel-Verteidiger Ulf-Diehl Dressler wird genau andersherum ein Schuh draus. Sein Mandant habe eben eine Beziehung zu den Jugendlichen, die in Kuttula waren - eine Einrichtung, vor der auch ein Berliner Jugendamt gewarnt habe. Da Behnel sich über die von ihm herausgebrachte „Crash-Kid-Zeitung“ zum Sprachrohr der Jugendlichen gemacht habe, die Kuttula kritisieren, übe dessen Deutschland-Ableger Druck auf die Ermittlungsbehörden aus. Der Kuttula-Streit habe „zumindest in motivatorischer Hinsicht“ etwas mit dem Haftbefehl zu tun. Vielleicht ist es auch wie mit der Henne und dem Ei.
Dressler hat inzwischen Akteneinsicht bekommen und hält die Anklagepunkte überwiegend für „olle Kamellen“ aus dem Jahre 1992. Der Strafverteidiger will deshalb Antrag auf Haftprüfung stellen, die binnen 14 Tagen erfolgen muß. Kaija Kutter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen