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Drei unter vielen

Väter werfen für ihre Töchter Atom-Bomben. Aus Liebe. Es ist eine fremde und seltsame Welt hier unten: In „Coneheads“ von Steve Barron feiert der unter Clinton etwas abhanden gekommene Wahnsinn fröhliche Urständ  ■ Von Harald Fricke

Wo man gut und böse nicht mehr auseinanderhalten kann, funktioniert keine Comedy. Prompt waren nach dem Dienstantritt von Bill Clinton die Satiren erzieherisch geworden und Slapstick traurig bis melancholisch: „Und ewig grüßt das Murmeltier“ etwa wollte nicht Uhren, sondern die Menschheitsgeschichte zur Bill of Rights zurückdrehen. Egoismus sucks. Aber wer liefert dann die Pointen?

In „Coneheads“ zieht wieder jener normale Schwachsinn in die zwischenmenschlichen Beziehungen ein, der sich nur in der Unberechenbarkeit plötzlicher Triebabfuhr entladen kann.

Keine starre Diskussion schmälert hier das Vergnügen, alles irrt ein wenig fremd aneinander vorbei, und plötzlich explodieren dann Toaster oder Raumschiffe, und Männer rennen durch Wohnmobilwände aus Aluminium und hinterlassen echte Spuren, ohne daß es groß schmerzt. Und von der nach Bush und Reagan wiederhergestellten Schein-Ordnung im Sozialen finden sich endlich Gags auf beiden Seiten wieder.

Am Grund der aus früheren „Saturday Night Life“-Episoden zusammengeschusterten Kinofassung der „Coneheads“ tobt ein ins Absurde zugespitzter race war. Ein Aliengeschwader vom Planeten Remulak scheitert bei der Eroberung der Erde an einem irrtümlich ausgegebenen Marschbefehl, und nur das zappelige Extraterrestren- Ehepaar Beldar (Dan Aykroyd) und Prymaat (Jane Curtin) landet not.

In ihrem Bemühen, bis zum Nachrücken der außerirdischen Truppen die Stellung zu halten, tauchen die beiden in Los Angeles unter.

Die Assimilation birgt jedoch Probleme: Beldar und Prymaat haben überdimensionale bowling- pin-förmige Köpfe, sie sind praktisch allein unter Flachschädeln.

Da aber eh jede ethnische Minority sich in stiller Abgeschiedenheit durch den US-Alltag mogelt, fallen auch die „Coneheads“ nicht weiter ins Gewicht. Leben in einer Outsider-Community: Der klopapierfressende Beldar findet schon bald eine Anstellung als Mechaniker im Kundendienst eines afroamerikanischen Elektronikshopbesitzers, ein Latino organisiert ihm falsche Papiere und ein Inder die Wohnung.

Prymaat trägt zur Vervollständigung der zivilen Kleinfamilie „einen Kegel“ unter ihrem Busen (Töchterchen Connie kommt in einer stürmischen Fruchtwasserflut zur Welt). Allein die fünfreihig angeordneten spitzen Reptilienzähne müssen die beiden sich im Land des Lächelns machen lassen. Nach dem dentalen Eingriff sind sie ganz und gar drei unter vielen anderen, die auch nicht anders sind. Als Beldar den Job wechselt und Fahrlehrer wird, verliebt sich seine erste Schülerin gleich in die hohe Stirn des Alien.

Schnell sind 16 Jahre mit heimeligen Amateurfilmen auf rotstichigem Super 8 überbrückt. Beldar repariert in seiner Freizeit die Rasenmäher der Nachbarschaft und entwickelt sich zum Ass im örtlichen Golfclub, Prymaat trägt entzückende Kleider aus Brokat, und Connie ist inzwischen ein wunderhübsch lächelnder Teenager mit Bombenfigur und einem aufreizend blanken Tütenschädel. Der endgültigen Vermischung auf Erden – in diesem Fall mit einem freundlichen weil dicken KFZ-Mechaniker schwedischer Abstammung – steht eigentlich nichts mehr im Wege.

Doch da tritt generalstabsmäßig vorbereitet die Einwanderungsbehörde auf den Plan, die Beldar seit seiner Landung nachstellt. Mexikaner, Asiaten, Aliens – das Asylgesetz macht da keinen Unterschied, wenn auch auf seine Weise. Und die Nachhut auf Remulak ist in der Zwischenzeit ebenfalls nicht untätig geblieben. Erneut startet eine Kampfeinheit zur Eroberung des Planeten, bringt den arbeitseifrigen Abschiebekommissar in ihre Gewalt und kehrt das Rollenspiel um. Auch auf Remulak sind Ausländer nicht sehr beliebt, dort regelt allerdings ein Kampfsaurier die Formalitäten.

Anstatt allein die E.T.-Familie in der Fremde zum Spielball witziger Ausgrenzungsrituale wie bei Spielbergs braunem Knautschlederding zu machen, hat Regisseur Steve Barron jedes Klischee alienated. Wenn Beldar zum College-Fest sein ganz persönliches Feuerwerk entfachen darf, dann läßt er eine Atombombe hochgehen. Selbst die zart keimende Sexualität Connies wird von ihrer Sicht der anderen Seite geschildert: Per Handauflegen zum Höhepunkt am Gegenüber. Die Situationskomik entwickelt sich gerade durch die Umkehr des Banalen als stinknormale Übertretung im Chaos des Privaten. Nichts Menschliches ist ihnen fremd, es hat bloß andere Namen: Säugetierfleisch ankohlen in der Flammengrube etwa, oder conen – und das heißt Liebe. Hollywood hat von Warheads auf Coneheads übergewechselt. In einer Woche ist Woodstock.

„Conehead“. Regie: Steve Barron, mit: Dan Aykroyd, Jane Curtin, Michelle Burke, Chris Farley. USA 1993, 90 Min.

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