Ein Autogramm vom Grünen-Star

■ Joschka Fischer wirbt für den ökologischen Umbau

Hannover (taz) – Unten, zwischen den Info-, Wein- und Fruchtsaftständen, signierte der hessische Umweltminister Bücher, schrieb Autogramme auch auf Zeitungsränder und ließ sich von einem Herrn mittleren Alters auf die Schulter klopfen, der an diesem Freitag nachmittag nicht die erste Bierdose in der Hand hielt. Oben auf der Bühne spielten „More Than Four“ alte Soul-Titel, während sich eine Sprecherin von der Grünen Jugend Niedersachsen als Sängerin versuchte.

Schon seit zwei Wochen tourt Joschka Fischer von Wahlkampfauftritt zu Wahlkampfauftritt durch die Republik. In Hannovers Innenstadt blieben am Ende vielleicht siebenhundert Passanten stehen, um die Band und vor allem den grünen Prominenten zu hören. Inzwischen habe ja der Wahlkampf begonnen, doch es scheine, als seien „ein Heinzelmännchen oder eine Fee mit Schlafpulver durchs Land geflogen. Plötzlich gilt Helmut Kohl als ganz großer Staatsmann“, beginnt Fischer und stellt dann sogleich das Sündenregister der Bundesregierung dagegen: Rekordarbeitslosigkeit, „das größte Finanzdebakel in der Geschichte der Bundesrepublik“, die Finanzkrise der Kommunen. Auch für die Kriminalität macht Fischer die Bundesregierung verantwortlich, die kein Zukunftskonzept mehr habe und so „die Fehler der letzten zwölf Jahre nur fortsetzt: die Reichen auf Kosten aller nur noch reicher“ machen wolle. Dann beschwört der hessische Umweltminister die Gefahren des Plutoniums: „Wir produzieren es Tag für Tag. Plutonium in der Menge eines Pfennigs reicht zur Tötung von 3 Millionen Menschen.“

Die Wahlkampfrede des hessischen Umweltministers läuft auf eine klare Alternative hinaus: Mit Helmut Kohl drohe der Bundesrepublik Versumpfung, witschaftlicher Abstieg, steigende Massenarbeitslosigkeit, militärische Abenteuer, neuer Nationalismus. Dem stellt Fischer den Wechsel in Bonn, die „soziale und ökologische Erneuerung“ entgegen. „Die Weltmarktposition eines Landes hängt heute im hohen Maße von Umweltprodukten und umweltverträglichen Produkten ab“, ruft er aus. „Raus aus der Atomenergie – Einstieg in Wind und vor allem Sonne“. Daß der Bundesrepublik ohne ökologische Erneuerung der wirtschaftliche Abstieg droht, ist Fischers Botschaft. Später im Gespräch mit einzelnen Zuhörern variiert er dieses Thema. Daß die japanische Firma Canon jetzt in die Photovoltaik einsteige, kommentiert er drastisch: „Seit zehn Jahren sind die auf dem Markt, und wir schlafen.“ Jürgen Voges