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Rote unter grünem Druck

■ In Altona und Nord fürchtet die SPD um ihre Direktmandate / Alt-Sozi gründet Initiative für GALierin Sager Von Uli Exner und Florian Marten

Die Attacke kommt aus dem eigenen Lager: „Das alte System der Kandidatenfindung“, befindet SPD-Mitglied Martin Meier-Siem (77), „begünstigt den angepaßten, männlichen, mittelalten Parteifunktionär. Deshalb wähle ich Krista Sager.“

Beim Kreuzchen an ungewohnter Stelle soll es nicht bleiben. Der Eppendorfer Röntgenarzt, der früher selbst für die SPD in den Wahlkampfring gestiegen ist und sich in den 60er und 70er Jahren für Willy Brandt einsetzte, hat gemeinsam mit dem Hamburger Politik-Professor Joachim Raschke die „Wählerinitiative Krista Sager“ gegründet. Mit Hilfe von Plakaten, Handzetteln und Hauspartys, so das hochgesteckte Ziel, soll die GALierin in den Bundestag gehievt werden. Sager kandidiert am 16. Oktober im Wahlkreis 15 (Hamburg-Nord) gegen den blassen SPD-Ex-Senator Wolfgang Curilla und CDU-Chef Dirk Fischer.

Die gestern vorgestellte Initiative des Alt-Sozialdemokraten für die grüne Vorzeige-Politikerin kommt Hamburgs SPD, nach dem miesen Europa-Wahlergebnis ohnehin verunsichert, gar nicht gelegen. Zwar bemüht sich Parteichef Jörg Kuhbier angesichts des zu befürchtenden grünen Stimmenklaus, Gelassenheit zu bewahren, hinter den roten Kulissen aber macht sich Nervosität breit. Meyer-Siems Vorstoß, so ein Sozialdemokrat zur taz, sei ein klarer Fall für ein Parteiausschlußverfahren.

Eine Drohung, die Sager-Fan Meyer-Siem recht kühl läßt: „Ich überlege mir noch, ob ich dagegen protestieren werde“. Und außerdem: Müsse man dann nicht auch den Lafontaine ...? Der Spitzen-Sozi hatte sich in Kassel recht ungeniert in den Wahlkampf der dortigen grünen Direktkandidatin Antje Vollmer einspannen lassen.

Lafontaines Hamburger Genossen reagieren weniger aufgeschlossen. In einem Brief an die „lieben KollegInnen“ im GAL-Kreisvorstand droht die Spitze der Nord-SPD den Grünen ziemlich unverhohlen mit einem Bruch der Koalition im Bezirksparlament. „Rationale Beweggründe für Sagers Erststimmenkampagne“, schreiben Nord-Chef Detlef Scheele und der Fraktionsvorsitzende Ulrich Schönfeldt, „haben wir nicht ausgemacht“. Um den Wahlkreis zu gewinnen, wettern die beiden weiter, „müßtet ihr Euer Stimmenergebnis nahezu verdreifachen. Das glaubt Ihr doch selber nicht.“ Sagers Kandidatur, so die Schlußfolgerung der Sozis, käme nur einem zugute: CDU-Kandidat Dirk Fischer, der nämlichen Wahlkreis bei den vorigen Bundestagswahlen knapp für sich gewinnen konnte.

Auch in Altona könnte ein Grüner den Sozialdemokraten in die Quere kommen: Zwar rechnet sich der grüne Ex-MdB Joachim Müller im Gegensatz zur Nord-Herausforderin Krista Sager keine Chancen auf die Eroberung des Direktmandates in Altona aus – der braven SPD-Kandidatin Marliese Dobberthien entscheidende Wählerstimmen zu klauen, dafür könnte es allemal reichen.

Oberrealissmo Jo Müller, dank innergrüner Widerstände auf der Landesliste nicht abgesichert, will es dennoch wissen. Nicht nur sein leichter Hang zur Selbstverliebtheit treibt ihn: Die Grünen, so Müllers Credo, sollen endlich ihren Anspruch als Erstpartei dokumentieren und sich angesichts der Re-formunwilligkeit der SPD als einzige Alternative profilieren.

CDU-Kandidat Eckart van Hooven ist das nur recht: Der frühere Deutsche Bank-Vorständler, der innerparteilich bereits den einstigen Unionspaten Jürgen Echternach aus dem Rennen geworfen hat, schickt sich nun an, Dobberthien das Direktmandat abzujagen.

Van Hooven, von Müller fast schon zärtlich als „Anarchist mit radikaler Fähigkeit zur eigenen Meinung“ skizziert, hat sich für heute abend denn auch gemeinsam mit dem grünen Kandidaten zum öffentlichen Duell verbündet. Eine Veranstaltung zu „Ökologie und Ökonomie“, für die – einmalig in diesem Wahlkampf – CDU und Grüne gleichermaßen mobilisieren und plakatieren.

Und die brave SPD-Frau, die, so stolz ihre linken Genossen, „im Bundestag immer richtig abgestimmt hat“?! Van Hooven zur taz: „Wir hatten unsere Gründe, diese Veranstaltung ohne Frau Dobberthien zu planen.“ Will sagen: Jede Aufwertung von Müller, jede Nichtbeachtung von Marliese ist ein Stückchen Weg Richtung Bonn.

Ein auch in der Altonaer GAL argwöhnisch beäugtes Manöver. So bekennt der grüne Kreisvorständler Frank Leeb: „Ich möchte Dobberthien im Bundestag haben und nicht van Hooven.“

Van Hooven ist nicht nur da anderer Meinung: „Schwarz-Grün? So wichtig nehme ich mich nicht. Aber: Ein Dialog zwischen CDU und Grünen ist vielversprechender als der zwischen CDU und SPD.“

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