: Weil es zu Hause doch am schönsten ist Von Klaudia Brunst
Das Schöne am Camping-Urlaub ist, daß man sich plötzlich wieder auf zu Hause freut. Bescheidene Annehmlichkeiten des alltäglichen Lebens, ein warmes Wannenbad beispielsweise oder ein frisch gebrühter Filterkaffee, mutieren mit der Zeit zu im höchsten Maße erstrebenswerten Gütern. „Schwarzbrot“, stöhnte meine Freundin, nachdem sie mal wieder einen halben Spiegel auf dem Campingklo ausgesessen hatte, „ein Königreich für ein Schwarzbrot.“
Und so beschlossen wir, die letzten Tage unseres Urlaubs zu Hause zu verbummeln. Die uns nachgesandte Programmzeitschrift hatte nämlich für den kommenden Abend ein TV-Special über Martina Navratilova angekündigt, und so ein televisionäres Kleinod will man als Überzeugungslesbe natürlich nur ungern verpassen.
Die Rückfahrt verlief angenehm staufrei, und als die Zielgerade der Avus in Sicht war, hatte meine Freundin tatsächlich eine Träne des Glücks im Auge: „Fahr zu“, meinte sie mit gedrückter Stimme, „Berlin hat uns wieder.“
Mit der Routine eines eingespielten Teams teilte uns meine Freundin in zwei Gruppen auf: Wenn ich eben die Sachen nach oben tragen würde, würde sie im Gegenzug für einen geeigneten Autoeinstellplatz sorgen. Und so sprang ich leichtfüßig mit den drei Reisetaschen, dem 25-Kilo-Zelt, den Campingstühlen, dem Gaskocher, den sich selbst aufblasenden Luftmatratzen und dem Klapphängeschrank in den vierten Stock.
Als der Kaffee durchlief und die Badewanne vor sich hinplätscherte, klagte der sonst sehr bescheidene Hund lautstark seine Rechte ein: Damit er während der Rückfahrt nicht so quengelte, hatten wir ihm nämlich versprechen müssen, in Berlin als erstes eine Runde mit dem Fahrrad zu drehen. Auch der Hund hatte im Urlaub auf so manchen Komfort verzichten müssen.
Also kramte ich den „Spezialfahrradhalter mit flexibler Deichsel für den sportlichen Hund“ heraus und trottete gemeinsam mit dem Tier in Richtung Fahrradkeller. Der Hund freute sich natürlich bolle. Kaum auf dem Bürgersteig, rannte er zu, was das Zeug hielt, und übte sich mal wieder darin, mein Vorderrad zu überholen. Daß ihm bei dieser übermütigen Geste meist die Zunge links schräg aus dem Hals hängt und er seltsam erstickte Töne von sich gibt, findet unser Tierarzt nicht weiter bedenklich. „Vorausgesetzt, die Geräusche legen sich nach drei Kilometern.“
Wir japsten also ganz glücklich der Abendsonne entgegen, als sich uns eine ältere Dame mit den Worten „Was für eine Tierquälerei“ rüde in den Weg stellte. Meine höflichen Erklärungen, daß unser Halbblut-Husky diese Art der Fortbewegung allen anderen Betätigungen vorzieht, quittierte sie mit einem schrillen „Det is doch die Höhe“, welches wiederum jenen Kontaktbereichsbeamten auf uns aufmerksam machte, der gerade auf der anderen Straßenseite mit meiner Freundin darüber debattierte, ob der 45-Grad-Winkel, mit dem sie unser Auto soeben in eine winzige Parklücke gezwungen hatte, noch der „zulässigen Toleranzgrenze“ entspräche. Als wir gegen Mitternacht die Wache endlich wieder verlassen durften, war das Navratilova-Special natürlich längst vorbei. „Tatsächlich“, seufzte meine Freundin erschöpft, „Berlin hat uns wieder.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen