Theater bei Stärke Sieben

■ „Das Narrenschiff“: Das Zelttheater der „Blauen Karawane“ zeigt sein atlantisches Katastrophenmusical

Die Schiffssirene dröhnt, hastig gehen die sieben Passagiere an Bord. Jahrelang waren sie die Mächtigen im Land, jetzt sind sie auf der Flucht. Nach dem Umsturz wollen sie alle heim ins Reich, jedeR aus einem anderen Grund. Beim ersten Dinner mit dem Kapitän wird deutlich, hier prallen Extreme aufeinander Eine Schiffsfahrt als Gefängnis auf Zeit bringt die Untiefen ihrer Seelen schonungslos an die Oberfläche. So soll es sein, so ist es das Bauprinzip des „Narrenschiffs“: das Musical zur „Blauen Karawane“, bzw. ein „atlantisches Katastrophenmusical“, wie die Narren ihr seltsamens Werk selbst einordnen. Eine Woche lang ist das schräge Stück ab heute auf den Osterdeichwiesen zu erleben, wo die Narrenkarawane ihre Zelte aufgeschlagen hat.

Hier faselt die zickige Lore von Schmalenbeck von Untermenschen, von ihrem verstorbenen Mann und ihrer Freude auf Deutschland, wo alles seine Ordnung hat und sie endlich wieder unter ihresgleichen sein wird. Annemarie, die nonnenhafte Missionsschwester, nervt, weil sie für alles und jeden Verständnis hat, nur nicht für ihr eigenes Outfit. Das Ehepaar Wetzold ist enttäuscht, weil die Schwarzen nicht dankbarer waren, obwohl Gerda ihnen neuwertige Kleider gespendet hat. Ihrem Mann Eberhard ist das alles egal, ihn interessiert nur der nächste Schuß.

Wenig Interesse am Bordgeschehen hat auch Arthur Grisotzki, eine undurchsichtige Gestalt, die aber am Ende ihren großen Auftritt hat. Geschäftsmann Lothar Losch dagegen ist durchschaubar bis zur Durchsichtigkeit, was seinem Ansehen nicht gerade zuträglich ist. Schmierige Witze zu erzählen ist seine große Passion. Schillerndste Figur im Reigen ist Frank Lehmann, Lebemann und Gigolo aus Überlebenswillen. Um sich den Unterhalt zu sichern, verführt und erpresst er zuerst die zickige Adlige und dann den schwafelnden Geschäftsmann Losch. Schließlich klaut er dem Süchtigen noch das Morphium, was dem nicht so gut bekommt.

Obwohl die Figuren plakativ und eindimensional angelegt sind ergeben sich spannende Reibereien und witzige Situationen, die von den SchauspielerInnen gut genutzt werden. Dazu kommt ein Bühnenbild, das durch den geschickten Einsatz von Licht, Schatten und Durchsichtigkeit den Eindruck von mehreren Ebenen und Räumen vermittelt. Diese verschiedenen Ebenen werden sehr effektvoll eingesetzt, um der Geschichte einige Fußnoten hinzuzufügen, Einblicke zu gewähren oder um das Tempo zu wechseln.

Gänzlich undenkbar wäre das Stück allerdings ohne das „Siebte Orchester zur See“, auch bekannt als „Poseidons Rache“. Die drei Popeyes spielen locker auf, greifen zwischendrin auch ins Geschehen auf der Bühne ein und unterstützen so gut es geht die Gesangssoli der SchauspielerInnen. Das allerdings tut auch not: Singen ist nicht deren Stärke.

Trotzdem fühlte sich das Publikum bei der ersten Bremer Vorstellung gut unterhalten und erklatschte sich eine Zugabe der besonderen Art. Wie die aussieht, wird nicht verraten. Wer gerne einen vergnüglichen Abend verbringen möchte und bereit ist, über kleine Schwächen hinwegzusehen, kann dies von heute an täglich tun. Gudrun Kaatz

„Das Narrenschiff“, vom 5. bis 11. September; Vorstellungsbeginn jeweils 20.30 Uhr; Karten gibt es bei Horten, Karstadt, Ear und an der Abendkasse des Theaterzeltes auf den Weserwiesen, Kartenvorbestellung unter 0421/70 72 81