: Gaffelketsch & Treidelkahn
■ Treideln bedeutet, ein Schiff vom Land her mit Pferden stromaufwärts zu ziehen / Traditioneller Bootsbau als Herausforderung für die Aucoop-Bootswerft in Vegesack
Auf der Aucoop-Bootswerft in Vegesack herrscht emsiges Treiben. Die BootsbauerInnen und TischlerInnen werkeln an zwei Booten, die unterschiedlicher nicht sein könnten – einem 20 Meter langen Stahlboot, Typ Gaffelketsch mit Plattboden, und einem altertümlichen Wesertreidelkahn aus Eichenholz. Die Gaffelketsch ist in der großen Schiffshalle aufgebockt und sieht noch sehr unfertig aus. Nach dem Stapellauf soll es als Bildungsschiff der Aucoop und der Jugendbildungsstätte Lidice-Haus zwischen Helgoland und Teufelsmoor unterwegs sein.
Der Auftrag für den Wesertreidelkahn hingegen kommt aus dem Überseemuseum. Anläßlich seines 100jährigen Jubiläums im nächsten Jahr, wird dort eine Ausstellung über Bremer Handel und Schiffahrt vorbereitet – und da darf ein Treidelkahn nicht fehlen.Treideln bedeutet, ein Schiff vom Land her mit Pferden oder Eseln stromaufwärts zu ziehen. In Bremen waren die Treidelkähne für die großen Segelschiffe wichtig, weil diese die Weser damals nur bis Vegesack befahren konnten. Dort mußten sie vor Anker gehen und die Waren auf die kleinen Kähne umladen, die so wenig Tiefgang hatten, daß sie ohne Probleme in Ufernähe fahren konnten.
Für die Bauern entlang der Weser war das Treideln ein lohnendes Geschäft, für das sie auch schon mal die Ernte stehen ließen, weil es einfach mehr Geld einbrachte. Einen Nachteil gab es allerdings – ihre Pferde wurden von der einseitigen Belastung völlig windschief, ein echtes Handicap beim Pflügen. Nachgewiesen ist das Treideln für Bremen seit 1700, und die absolute Blütezeit erreichte es 1847 mit 3.088 registrierten Treidelkähnen. Danach kamen Schleppdampfer in Mode – das Ende der Treidelei.
Der Bau eines solchen Kahns war für die Aucoop eine echte Herausforderung. „Es gibt ja keine fertigen Pläne für diese Schiffe, die haben die Leute früher nach Augenmaß und mit viel Erfahrung gebaut“, sagt Dietmar Peters, der verantwortliche Bootsbauer für das Projekt. Zusammen mit drei weiteren Bootsbauern und zwei TischlerInnen versucht er, den Kahn so originalgetreu wie möglich nachzubauen. Zu ihrem Glück gibt es im Osterholz-Scharmbecker Museum noch einen Treidelkahn für den Anschauungsunterricht.
Erste Schwierigkeiten gab es schon bei der Materialsuche. Da man früher das Holz nicht so stabil verleimen konnte wie heute, mußten für den Rumpf durchgehende Planken von zehn Metern Länge verwendet werden und für die Spanten, die die Planken von innen zusammenhalten, verwendete man krumm gewachsenes Holz. Beides ist heutzutage äußerst schwierig zu besorgen.
Mittlerweile gedeiht der Kahn ganz prächtig, und die BesucherInnen strömen wie nie zuvor. „Das läuft über Mund-zu-Mund-Propaganda. Gerade die Älteren, die solche Kähne noch aus ihrer Jugend kennen, sind sehr neugierig und wollen gucken, wie wir das machen“, erzählt Peters. Und da sie mit traditionellen Handwerksmethoden arbeiten, war das nicht immer einfach. Bei dem extrem warmen Sommer bestand zum Beispiel immer die Gefahr, daß das Holz reißt. „Wir haben deshalb die Hobelspäne unterm Boot liegenlassen und immer feucht gehalten, so konnten wir eine Luftfeuchtigkeit von 70 bis 80 Prozent halten, und das Holz ist nicht gerissen“, erklärt der Bootsbauer stolz.
Eigentlich müßten sie ihre ganze sorgfältige Handarbeit unter einer dicken Teerschicht verstecken. Denn traditionell waren Boot und Segel eingeteert, damit sie der Witterung besser standhalten. Aber Werner Kordaß, Geschäftsführer der Aucoop Bootswerft, verhandelt noch mit dem Überseemuseum, weil er es schade fände, wenn man weder Planken noch Krummholzspanten erkennen könnte. Apropos Segel, es wird noch ein Segelmacher gesucht, der in der Lage ist das große Hanfsegel für den Treidelkahn zu nähen. Gudrun Kaatz
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