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Geschlechterkampf bei den Sozialdemokraten

■ SPD eröffnet den Wahlkampf: Sozialsenatorin Stahmer will gegen SPD-Chef Staffelt als Spitzenkandidatin antreten

Herbert Beinlich, persönlicher Referent des SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Ditmar Staffelt, versuchte gestern der Gegenkandidatur von Sozialsenatorin Ingrid Stahmer für das Amt des Spitzenkandidaten 1995 den Geruch des Ungewöhnlichen zu nehmen: „Es ist immer besser, wenn bei einer Wahl zwei oder mehrere Kandidaten zur Verfügung stehen. In diesem Sinne begrüßt Herr Staffelt auch die Kandidatur von Frau Stahmer.“

Erstmals werden die Mitglieder der Berliner SPD ihren Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhaus-Wahl in einer Urwahl küren. Um sich dem Votum der Basis am 5. Februar nächsten Jahres zu stellen, müssen die Bewerber bis Mitte Dezember entweder zwei Prozent an Mitgliederunterschriften (rund 490) oder das Votum einer Kreisdelegiertenkonferenz vorweisen. In einem Interview mit der taz begründete die Sozialsenatorin ihren Schritt:

taz: Waren Sie schon seit längerem entschlossen, für das Spitzenamt zu kandidieren?

Ingrid Stahmer: In den letzten Monaten bin ich häufiger gefragt worden, ob ich nicht antreten möchte. Ich brauchte eine gewisse Zeit, um mich zunächst einmal selbst zu befragen.

Wer hat Sie ermuntert?

Viele Einzelpersonen sind auf mich zugegangen. Das waren keineswegs irgendwelche Einzelkreise oder gar innerparteiliche Machtkartelle.

Ist Ihre Kandidatur eine gezielte Kritik an der bisherigen Amtsführung von Staffelt?

Es besteht immer die Gefahr, daß ein solcher Eindruck in der Öffentlichkeit entsteht. Ich sehe in meiner Kandidatur eher ein Angebot, sich zwischen zwei wirklichen Alternativen zu entscheiden. In politischen Aussagen gibt es zwischen uns beiden nicht so große Unterschiede.

Was für ein Angebot machen Sie denn Ihren Mitgliedern?

Ich sehe meine Schwerpunkte in der Gesamtentwicklung der Stadt, in dem Zusammenführen von Ost und West. Wir müssen uns mehr um bürgerschaftlichen Engagement und um menschliches Miteinander bemühen und das spaltende Gejammere beenden.

Wollen Sie die Große Koalition fortsetzen?

Die Wahlperiode endet 1995. Bis dahin haben wir noch einige Aufgaben zu erledigen. Daß eine Große Koalition keine glückliche Lösung ist, sehe ich auch. Aber um sie abzustreifen, muß man über Mehrheiten verfügen.

Wie würden Sie mit der PDS umgehen?

Es wird keine Zusammenarbeit mit der PDS geben. Etwas anderes ist die Frage, warum so viele Menschen im Ostteil diese Partei wählen und wie wir sie überzeugen können, daß für sie die SPD die bessere Alternative ist. Ich habe seit 1989 jede Menge Erfahrung gewonnen, weil ich seitdem in West- und Ostberlin bin und aufpassen muß, daß nicht die eine oder andere Seite sozial benachteiligt wird.

Sie treten als Frau an. Liegt darin die Chance der SPD, mehr Wählerinnen an sich zu binden?

Wir haben in der Politik viel zu wenig Frauen. Darauf liegt natürlich ein besonderer Akzent meiner Bewerbung.

Für was stehen Sie, für was Herr Staffelt?

Wir stehen als ein Mann und eine Frau für durchaus gemeinsame Ziele der SPD, aber mit unterschiedlichen persönlichen Ausformungen und Erfahrungen.

Beginnt jetzt das Personenkarussell, bei dem immer mehr Kandidaten aufspringen ...

Das kann ich mir im Moment nicht vorstellen. Aber selbst wenn es am Ende drei Kandidaten sind, gibt es ja eine Auswahlmöglichkeit. Interview: Severin Weiland

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