: Nicht zum Überleben
■ Faruk Kulenovic verfehlt mit Bosnien wohl die Basketball-EM-Qualifikation
Berlin (taz) – Seit wenigen Jahren zählt Alba Berlin zur Spitzenklasse im deutschen Basketball. Zu verdanken hat man das wohl in erster Linie Faruk Kulenovic, dem Vorgänger von Svetislav Pesic, der in den frühen Neunzigern den Aufschwung erarbeitete. Am Samstag kehrte er als Nationaltrainer von Bosnien-Herzegowina an die alte Wirkungsstätte zurück, und das nicht zufällig: Kulenovic hatte sich, nachdem dem bosnischen Team in der derzeitigen Situation Heimspiele unmöglich sind, sein persönliches „Heimspiel“ zur EM-Qualifikation gegen Rußland in Berlin ermöglicht.
Kulenovic hat das Team im Mai und mithin in einer Situation übernommen, in der der Sport nicht alles ist und sich längst nicht alle Gedanken um das Spiel und den Sieg drehen. Eine schwierige Situation für einen Perfektionisten. Doch auch wenn seine Mannschaft noch nie in der derzeitigen Formation gespielt hat, ja kaum gemeinsam trainiert hatte – einige Spieler kamen direkt aus Sarajevo und hatten aufgrund des Kriegszustandes wenig Spielpraxis –, hatte der ruhige Mann ihr selbst gegen den favorisierten Vizeweltmeister eine reelle Siegchance eingeräumt.
Die Ruhe übrigens verlor Kulenovic selbst während des mitunter sehr hektischen Spiels in der mit 3.500 zumeist bosnischen Fans gefüllten Sömmeringhalle nicht; das Spiel aber doch. Und das, obschon die Bosnier das Spiel lange offen hielten und sich erst in der Verlängerung die größere Routine der Russen dann doch durchsetzte, die das Spiel schließlich mit 94:87 (78:78) gewannen.
Damit ist die Möglichkeit der direkten EM-Qualifikation verspielt. Letzte Chance für Kulenovic: Wird am Mittwoch im nächsten „Heimspiel“, das ebenfalls in Berlin ausgetragen wird, Finnland bezwungen, kann man sich als Gruppendritter in einer zusätzliche Qualifikationsrunde bewähren.
Sollte Bosnien-Herzegowina allerdings kein Ticket für Athen bekommen, dann endet auch Kulenovics Vertrag. Dann wird sich der Mann eben auf die Suche nach einem neuen Team machen. Basketball ist zwar seine Profession, aber für ihn sind „Kultur und Sport nicht das, was du zum Überleben brauchst“. Zwei kleine Einschränkungen macht er jedoch hinsichtlich seiner zukünftigen Trainerkarriere: Es muß Spaß machen, und es darf kein mittelmäßiges Team sein. Faruk Kulenovic will immer um einen Titel kämpfen. Der Ort ist dabei nebensächlich. Michael Bolten
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