: „Paten“ sichern Telefonzellen
■ 1.400 wollten aufpassen / Weniger zerstörte Zellen seit März
Die Idee ist simpel, doch sie bringt verblüffende Erfolge. Seit „Paten“ Telefonzellen überwachen und Attacken darauf sofort der Telekom oder der Polizei melden, sind die Schäden erheblich geringer geworden. Diese Methode hat nach Angaben des Leiters der Dienststelle Telekom-Direkt in Bremen, Joachim Gröger, ermutigenden Erfolg. Schon in Köln-Bonn und in Oldenburg, wo mit diesen Versuchen begonnen wurde, gab es positive Ergebnisse. Deshalb wurde in Bremen das dritte Projekt gegen die bundesweite Zerstörungswut eingerichtet. Inzwischen sind auch in Hamburg und Hannover, in Bremerhaven und in sechs süddeutschen Bereichen solche Betriebsversuche begonnen worden.
Die Telekom-Direktion in Bremen rief im März dieses Jahres zu diesen Patenschaften auf. Zunächst sollten in der Hansestadt 67 ausgesuchte Telefonzellen beobachtet werden. Wer solche Zellen von seiner Wohnung aus bequem einsehen und sie ab und zu direkt inspizieren kann, soll bei verdächtigen Beobachtungen telefonisch kostenfrei Alarm schlagen. Über 1.400 Interessenten boten ihre Hilfe an. Dafür werden den bisher engagierten „Paten“ im Alter zwischen 18 und 86 Jahren auf der eigenen Telefonrechnung monatlich 100 Einheiten gutgeschrieben. Werden TäterInnen auf Grund solcher Hinweise erwischt, gibt es eine Extrabelohnung.
„Die Zerstörungswut hat keine Grenzen“, sagt Joachim Gröger. „Wir mußten uns dringend etwas einfallen lassen.“ In Bremen und den umliegenden Orten gibt es insgesamt 1.756 öffentliche Telefonzellen. Im vorigen Jahr wurden zusammen rund 2.800 Zerstörungen mit einem Schaden von 557.000 Mark registriert. 1990 gab es 4.121 Zerstörungen mit 524 000 Mark, 1991 3.463 Fälle mit 590.000 Mark und 1992 3.501 Zerstörungen mit 1,2 Millionen Mark Schaden. Dabei fällt auf, daß die Schäden besonders an Telefonzellen in der Nähe von Diskotheken und Sportstadien, und zwar nach entsprechenden Veranstaltungen,angerichtet werden.
Im ersten Quartal dieses Jahres mußte die Telekom-Direktion in der Stadt Bremen noch 67 Diebstähle und 422 Beschädigungen mit zusammen 260.000 Mark Schaden hinnehmen. Im zweiten Quartal gab es „nur noch“ 28 Diebstähle und 362 Beschädigungen mit etwa 180.000 Mark Sachschaden. Gröger und seine Fachleute führen diese Abnahme auf die hilfreiche Unterstützung der seit April tätigen „Paten“ zurück.
Frustrationen aller Art sind nach Erkennntnissen der Telekom-Direktion die Hauptmotive der fast ausschließlich jugendlichen TäterInnen, wenn sie Telefonzellen beschädigen. Wer erwischt und gerichtlich verurteilt wird, muß nicht nur den Schaden zahlen, sondern – je nach Entscheidung der RichterInnen – an Wochenenden Sozialarbeit leisten. Es wäre schon gut, meinen die Telekom-Experten, wenn sich potentielle TäterInnen vorstellen, was wohl passiert, wenn ein Diabetiker in Ohnmacht fällt oder jemand bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wird und das Telefon nicht funktioniert. dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen