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Auf V-Mann-Schau in Santa Fu

■ Drogendezernat soll versucht haben, im Fuhlsbütteler Knast Spitzel anzuwerben / Mit dabei: der Vollzugsleiter Von Kai von Appen

Schwere Vorwürfe gegen Hamburgs Justiz und Polizei: Nach taz-Informationen ist der „Santa Fu“-Vollzugsleiter Krüger an der Anwerbung von V-Leuten für das Rauschgiftdezernat beteiligt und verspricht Gefangenen dafür Vergünstigungen. Justizbehördensprecher Jürgen Weinert: „Wenn das zutrifft, ist das rechtlich unzulässig.“

Weil der Strafgefangene Karsten Meier (Name geändert) bei der Aufdeckung eines Drogenfundes im Knast behilflich gewesen war, waren ihm im August Versprechungen gemacht worden: „Mir wurde von Herrn Krüger eine definitive Fürsprache für mein Zwei-Drittel- Gesuch zugesichert“, so der Gefangene in einer eidesstattlichen Erklärung. Nur wenige Tage später sei ihm dann überraschend ein Termin bei der Vollstreckungskammer angekündigt worden. Tags darauf ging es mit dem Taxi, was absolut ungewöhnlich ist, auf Fahrt – aber nicht zum Gericht, sondern direkt ins Polizei-Präsidium. Bei einer Tasse Kaffee habe ihm der Vizechef des Rauschgiftdezernats angeboten, nach der anstehenden Entlassung als V-Mann und Spitzel der Polizei im Drogenmilieu tätig zu werden. O-Ton: „Es wäre zwar bei mir mit einigen Schwierigkeiten verbunden, da ich vorbestraft sei, aber man würde dies schon regeln.“

Meier war über dieses Angebot entsetzt und ließ die Drogenfahnder abblitzen: „Wenn ich gewußt hätte, wohin die Fahrt gehen würde, wäre ich auf keinen Fall bereit gewesen mitzufahren.“ Und weiter: „Mir sind namentlich mehrere Gefangene bekannt, die ebenfalls über Herrn Krüger einer V-Mann-Tätigkeit bei der Polizei zugeführt werden sollten.“

So soll der Vollzugsleiter einem Strafgefangenen angeboten haben, das gegen eine Freundin von ihm verhängte Besuchsverbot wieder aufzuheben, wenn er bereit wäre, sich nach seiner Entlassung in die Drogenszene einschleusen zu lassen. Als der Häftling zum Schein auf dieses Angebot einging, wurde das Verbot tatsächlich gecancelt.

Nach Kenntnis der Hamburger Grünen sind diese beiden Fälle nur die „Spitze des Eisbergs“. Mittlerweile liegen der GAL die Aussagen von sieben Gefangenen vor, denen Ähnliches widerfahren sei. Häufig würden uneinlösbare, keinesfalls gesetzeskonforme Versprechungen gemacht, um in den Besitz zweifelhafter Informationen zu kommen.

Justizbehördensprecher Weinert konnte gestern diese Vorwürfe weder bestätigen noch dementieren: „Im Vollzugsamt sind derartige Vorgänge nicht bekannt. Und Herr Krüger befindet sich im Urlaub.“ Sollten die Anschuldigungen zutreffen, wäre das „ein starkes Stück“. Weinert: „Es ist ausdrücklich untersagt, im Strafvollzug V-Leute für die Polizei anzuwerben. Das darf auf keinen Fall sein.“ GAL-Referent Peter Mecklenburg: „Dieses Unwesen muß beendet werden, weil sonst der Willkür gegenüber Abhängigen Tür und Tür geöffnet ist.“

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