OECD: Wirtschaft wächst wieder

■ Aufschwung in den Industriestaaten schafft kaum neue Jobs

Paris (rtr/dpa) – In Deutschland und den übrigen Industriestaaten sind die Perspektiven für ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum so günstig wie seit Jahren nicht mehr. Das hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) festgestellt. 1995 werde das Wachstum im Schnitt der OECD-Länder 2,25 Prozent, 1996 knapp drei Prozent betragen. Auf dem Arbeitsmarkt gebe es erstmals eine leichte Entspannung.

Konjunkturmotor in Westdeutschland sei immer noch der Export, so der Bericht weiter. Allmählich nehmen auch die Investitionen wieder zu.

Im Osten Deutschlands wird ein höheres Wachstum erwartet als im Westen. Insgesamt erhöht sich das deutsche Bruttoinlandsprodukt dadurch um 2,8 (1995) und 3,5 Prozent (1996). Die Preise werden dem Bericht zufolge nur sehr wenig steigen.

Ein Mitarbeiter der OECD warnte aber zugleich: „Es gibt keinen Grund zur Euphorie, weil die Arbeitslosigkeit das Problemkind Nummer eins bleibt.“ In den 25 Mitgliedsstaaten sind heute rund 34 Millionen Menschen ohne Arbeit. „Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, sehen wir die Gefahr, daß die Arbeitslosenzahl auch mittelfristig hoch bleibt“, betonte ein OECD-Mitarbeiter.

Hauptaufgabe der Politiker sei, in den kommenden Jahren Wachstum und sozialen Wohlstand langfristig zu sichern. Dazu benötige man insbesondere eine besonnene, auf Preisstabilität gerichtete Geldpolitik. Die Regierungen werden aufgefordert, die Einnahmen durch den Wirtschaftsaufschwung zum Abbau der immensen Haushaltsdefizite zu nutzen. Doch tiefgreifende Erfolge erwartet die OECD davon nicht.

Steuererhöhungen zum Abbau der Defizite lehnt die OECD ab, weil sie die Kaufkraft der privaten Verbraucher weiter schwächen würden. Steuersenkungen in Deutschland wären zum jetzigen Zeitpunkt gefährlich, 1996 jedoch in Ordnung, hieß es.

Trotz der positiven Entwicklung könnten nach den Prognosen für 1996 allein Deutschland und Luxemburg die Bedingungen des Vertrags von Maastricht für die Währungsunion erfüllen. Viele andere Staaten weisen eine zu hohe Verschuldung auf.

Sehr gemischt sind die Prognosen für Osteuropa. Die Wirtschaftswissenschaftler rechnen damit, daß die Importe von dort in die OECD-Staaten in den nächsten Jahren jeweils um gut sechs Prozent steigen würden. An der Spitze lägen Polen und die Slowakische Republik; Tschechien sei inzwischen auch mit Industrieprodukten im Westen erfolgreich.

Besonders problematisch dagegen sei die Lage in Rußland. Wahrscheinlich würden die Unternehmen hier bald zu Massenentlassungen übergehen und damit die offizielle Arbeitslosenquote von neun auf zwölf Prozent hochtreiben. Die gesamte Produktion der Wirtschaft werde 1994 um 15 Prozent, 1995 nochmals um sieben Prozent zurückgehen.

Immerhin werde in Rußland die Inflation sinken — von derzeit 250 Prozent auf gut 40 Prozent im Jahr 1996.