: Kampf um das blasse Kalb
■ Militante Tierschützer machen in Großbritannien gegen Tierexporte mobil
Shoreham (taz) – Sondereinheiten der Polizei prügeln am Kai, die Demonstrationen reißen trotzdem nicht ab. Es geht um den Export britischer Kälber. Da der Verbrauch von Kalbfleisch in Großbritannien verschwindend gering ist, werden die Tiere vor allem nach Frankreich und in die Niederlande verkauft, wo sie in winzigen Boxen aufgezogen und mit eisenarmer Milch zwangsernährt werden, damit ihr Fleisch blaß und zart bleibt.
Am Wochenende ist der Kampf um dieses blasse Kalb – der Export bringt den Bauern umgerechnet 500 Millionen Mark im Jahr ein – weiter eskaliert. In Plymouth kam es am Samstag zur bisher größten Demonstration. Mehrere tausend DemonstrantInnen bejubelten die Nachricht eines Stadtrats, daß den Tiertransportern künftig die Durchfahrt durch die Stadt zum Hafen untersagt werden soll. Am Freitag hatten etwa 50 Menschen die Zufahrt zum Flughafen von Swansea blockiert, so daß die Lastwagen unverrichteter Dinge wieder abziehen mußten.
Die Aktion im Hafen von Shoreham dagegen, den Greenpeace mit Gummibooten blockieren wollte, mußte am Freitag abend abgeblasen werden, weil die Hafenverwaltung eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte. Am Abend fand dennoch die seit zwei Wochen täglich veranstaltete Demonstration statt.
Militante Tierschützer sollen auch hinter den Anschlägen auf den britischen Agrarminister William Waldegrave stehen. Das behauptete gestern ein Pressesprecher. Waldegrave erhielt angeblich zwei Briefbomben, mehrere mit Rasierklingen gespickte Briefe sowie zahlreiche Morddrohungen. Pikanterweise gehen auch Kälber vom Hof des Agrarministers in Somerset auf die bis zu 60 Stunden dauernde Reise zum Kontinent – in Großbritannien ist die Aufzucht in Mastboxen seit fünf Jahren verboten. Weil die großen Reedereien aus Imagegründen seit Eröffnung des Kanaltunnels keine lebenden Tiere auf ihren Passagierfähren über den Ärmelkanal mehr transportieren, sind die Exporteure auf die kleinen Häfen und Flughäfen angewiesen. Auf diese Orte hat sich das breite Spektrum der Tierschützer, das von der militanten „Animal Liberation Front“ bis hin zu sentimentalen Tierfreunden reicht, mit Protestaktionen und Blockaden konzentriert.
In Coventry hat jedoch ein Unfall den Transporten zumindest vorübergehend ein Ende bereitet: Kurz vor Weihnachten war eine algerische Maschine abgestürzt, nachdem sie eine Ladung Kälber in Amsterdam abgeliefert hatte. Bei dem Absturz wurden die Dächer einer Wohnsiedlung abgedeckt, die fünfköpfige Besatzung kam ums Leben. Das Transportministerium hat eine Untersuchung eingeleitet: Man will herausfinden, warum die Maschine überhaupt eine Startgenehmigung erhalten hatte, ohne die erforderlichen Bescheinigungen über Lufttauglichkeit und Versicherung vorzulegen.
Ralf Sotscheck Tagesthema Seite 3
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