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Ein Kulturdampfer auf Titanic-Kurs

■ Das 1991 eröffnete Kulturkaufhaus des französischen Konzerns „fnac“ wird geschlossen / Der Manager klagt über zu hohe Mieten und deutsche Öffnungszeiten

Der Marmor und das Chrom im Eingangsforum glänzen noch wie am ersten Tag. Das „Kulturkaufhaus fnac“, wie es sich selbst in seinen zahllosen Anzeigen nennt, wird nicht viel älter als drei Jahre werden. Im Dezember 91 war die einzige deutsche Filiale des französischen Konzerns eröffnet worden, jetzt soll sie „so schnell wie möglich“, wie der Geschäftsführer Monsieur Fabre gestern sagte, wieder schließen.

In der Meinekestraße, etwa 40 Meter abseits vom Ku'damm, hat das edle Mediengeschäft die letzten Jahre vergeblich um eine ausreichende Zahl an Kunden gekämpft. Das Kulturkaufhaus mit CD-, HiFi-Anlagen- und Bücherverkauf hat in Deutschland nicht gerade eingeschlagen. Der Geschäftsführer, dessen Büro man nach einem endlosen Gang über Feuertreppen und durch ein Labyrinth weiß gekalkter Wände endlich erreicht, ist sichtlich mitgenommen. Er saugt nervös an einer längst erloschenen Pfeife, seine knallbunte Krawatte hängt fast auf Brusthöhe, während zwei grauhaarige Herren ganz aufgeregt auf französisch auf ihn einreden.

Sein Projekt, fnac in Deutschland zu etablieren, ist in Rekordzeit gescheitert. Monsieur Fabre hat nichts zu lachen. An seinem Konzept jedoch, da ist er sich sicher, hat es nicht gelegen. Sein Konzept nennt er das „Erlebniskaufen“, und damit meint er vor allem das Kulturprogramm, das sich sein Kaufhaus nebenbei leistete. Meistens waren dies Lesungen bereits etablierter Autoren (am Donnerstag abend liest zum Beispiel Irene Dische aus ihrem neuen Buch „Die intimen Geständnisse des Oliver Weinstock“), auch wenn er es gern als Förderung unbekannter Künstler gesehen haben möchte. Sicherlich meint er mit Erlebniskaufen auch den großen Filmvorführraum, in dem man den ganzen Tag „arte“ auf Großleinwand verfolgen kann.

Zur Zeit werden gerade Fotografien ausgestellt, die den Internationalen Mother-Jones-Preis für Reportage-Fotografie gewonnen haben. Auf der vom Design-Neonstrahler erhellten Ausstellungsbeschreibung steht: „Es werden Arbeiten unterstützt, die sonst aus ideologischen oder kommerziellen Gründen benachteiligt wären.“ Das ist das lächerliche Image, das fnac sich so gerne geben wollte. Ein Kulturinstitut, das Geld nur verdienen will, um notleidende Künstler in aller Welt zu unterstützen – das Marmor-Interieur will dazu nicht recht passen.

Am Konzept also lag es nicht. Schuld sind vielmehr, nach Fabres Worten, die „unverschämten Mieten“, die man damals „in der Euphorie des Sommers 91“ akzeptiert habe und von denen der Vermieter nicht abrücke. Vor allem aber auch das „lächerliche deutsche Ladenschlußgesetz“, das ein „Erlebniskaufen“ wie in den 50 fnac-Filialen in Frankreich, Belgien und Spanien unmöglich mache. Hinzu komme die Rezession sowie die hohe Arbeitslosigkeit in Berlin und der Wegfall der Berlinzulage, was die Aussichten für die nächsten Jahre eher noch trüber gemacht habe. An einen Gewinn sei nicht einmal zu denken gewesen, über die Verluste schweigt er lieber. Der Umsatz habe so um die 40 Millionen Mark im Jahr betragen, Mitarbeiter beschäftige fnac Deutschland fast hundert. Auch deshalb steht noch nicht genau fest, wann fnac schließen wird. Man müsse da noch prüfen, wie lange die Verträge laufen, das heißt, wie schnell man seine Mitarbeiter mit so geringen Kosten wie möglich entlassen kann. Ein „freiwilliger Sozialplan“ sei in Arbeit.

Einige VerkäuferInnen hatten gestern noch gar nichts von ihrer bevorstehenden Entlassung gehört. Erst die Telefonistin, bei der den ganzen Tag Anfragen wegen der bevorstehenden Schließung eingingen, hat ihre KollegInnen nach und nach informiert. Gerechnet hatte damit eigentlich keiner. „War doch immer wat los, det ham die sich in Frankreich doch nur ausgedacht, um uns hier rauswerfen zu können“, meint der CD- Aufleger zum Probehören. Und der „Denker“ von Rodin, der als Plastik-Imitat auf einem Neonröhrensockel inmitten von Rodinbildbänden thront, scheint noch etwas versunkener als an Tagen, wo er noch von seiner Karriere als Prunkstück des florierenden Kulturkaufhauses fnac träumen konnte. Volker Weidermann

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