Pseudonymes von Reich-Ranicki: Du mußt es dreimal sagen
■ Ein literarisches Versteckspiel
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 19.1. stand ein Artikel über Peter Handkes "Mein Jahr in der Niemandsbucht". Es war der dritte.
Autor ist Marcel Reich-Ranicki. Ein fulminanter Anfang, getränkt mit eben jener liebevollen Bosheit, die der von ihm so gerne beschimpfte Walter Benjamin vom Kritiker verlangte.
Dann der unverkennbare Reich-Ranicki Sound, jedem seiner Hörer vertraut: „Peter Handke muß etwas Neues veröffentlicht haben. Das geschieht, der Autor ist fleißig, nicht eben selten.“ Dieses eingeschobene satt ironische Lob — dafür wird er gehaßt. Und geliebt. Der Leser sieht an das Ende des Artikels und ist verblüfft: FAZ-Redakteur Jochen Hieber steht da als Autor. Der Leser liest weiter und verliert Reich-Ranickis Spur. Absatzlang werden Buchtitel zitiert, ein wenig Handkelob und danach ein paar Sätze gegen Sigrid Löffler. Da spricht wieder Marcel Reich-Ranicki. Unverkennbar der energische Schwenk, mit dem der Vorwurf, es gebe eine Anti-Handke-Liga mit einer beredten Attacke auf die Handke- Gemeinde erwidert wird. Das Lese-Völkchen erkennt seinen Reich-Ranicki: „Le style c‘est l'homme même.“ Auch an dieser Passage: „,Böswillige Kritiker jedenfalls‘, notierte der Rezensent des Focus vorsorglich, ,haben leichtes Spiel‘. Nein, böswillig muß man nicht sein. ...“ So voller Wonne teilt nur Reich- Ranicki seine Schläge aus.
Warum nimmt er sich nicht ein besseres Pseudonym?
Arno Widmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen