piwik no script img

Ein postmodernes Pokerspiel

■ Neu im Kino 46: „The Music of Chance“, ein filmisches Schachspiel mit zwei Exzentrikern - der Film zur Literaturwoche

Die 19. Literarische Woche in Bremen hat zwar den Schwerpunkt „US-amerikanische Literatur der Gegenwart“, aber von den dort zur Zeit wirklich aktuellen und erfolgreichen Autoren ist in Bremen kaum etwas zu hören. Da kann man schon froh sein, wenn einer der interessantesten US-Schriftsteller zumindest mit der deutschen Erstaufführung der Verfilmung eines seiner Romane im Programm auftaucht. Dabei ist Paul Auster in Deutschland mit seinen Büchern fast erfolgreicher als in seiner Heimat.

Auster spielt mit den verschiedenen Genres der „U-“ und der „E-“-Literatur wie ein zeitgenössischer Komponist, der sich der musikalischen Früchte aller Stile und Zeiten bedient, um sich daraus seinen eigenen Song zu basteln. Science Fiction, politischer Thriller, griechische Tragödie und immer wieder die Gangstergeschichten der Groschenromane werden von ihm zu überraschenden literarischen Cocktails gemixt. „Auster kann mit dem Tempo und dem Können eines erfahrenden Billardspielers schreiben: Er läßt eine bizarre Geschichte geschickt und unerwartet über die Bande in die Nächste knallen“ schrieb „The New York Times“ über „The Musik of Chance.“

Diese verwinkelten, postmodernen Romane bieten sich nicht gerade für Verfilmungen an, und Regisseur Philip Haas bewies Mut, als er sich für sein erstes Spielfilmprojekt an Austers schwarze, groteske Geschichte von der „Musik des Zufalls“ traute. Mit wenigen Ausnahmen hielt er sich dabei streng an die literarische Vorlage, und es ist ihm gelungen, die zugleich distanzierte und bedrohliche Grundstimmung des Buches in seine Bilder zu übertragen. Auch bei den abrupten Brüchen der Geschichte schafft er es, Auster kongenial zu folgen.

Der Film beginnt „on the road“ als Buddymovie über die Freundschaft von zwei mysteriösen Männern. Dann wird ein großes Spiel mit hohen Einsätzen und professionellen Gamblern so dramatisch inszeniert, daß man fast glaubt, die Schatten von Steve McQueen und Paul Newmann hinter den alles entscheidenden Spielkarten zu erkennen. Schließlich sind die beiden Filmhelden gefangen in einer absurden Zwickmühle, in der sie der Regisseur mit dem bösen Humor des jungen Roman Polanski zappeln läßt. Zwei superreiche Exzentriker spielen nun mit den beiden wie mit Figuren auf einem Schachbrett – Charles Durnig und Joel Grey wirken in diesen Rollen wie eine boshafte Ausgabe von Laurel und Hardy.

Philip Haas kann mit den Klischees der Genres genauso klug und originell spielen wie Auster, und der Autor scheint mit dem Film auch ganz zufrieden zu sein, denn er selbst spielt deine kleine Gastrolle. Auster liest da eine seiner fiktiven Figuren von der Straße auf, und fährt in der letzten Einstellung mit ihr zusammen aus dem Film.

Wilfried Hippen Kino 46, Original ohne Untertitel, So. 18.00 und 22.30 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen