piwik no script img

Keine „bessere“ Schulform

■ betr.: „Gesamtschulen sind nicht zu retten“, taz vom 28./29. 1. 95

Zum Thema Beruf und Qualifikation finden sich in der gleichen Ausgabe ganz andere Töne zum Thema. Ob es die von dem 30köpfigen Arbeitskreis angestrebte „ehrliche, ideologiefreie Diskussion“ zum Thema geben kann, halte ich für fraglich. Als Vater zweier überzeugter Gesamtschüler, als interessierter Beobachter der Entwicklung und Mitarbeiter in einer Erwachsenenbildungseinrichtung, in der sogenannte Schulversager Schulabschlüsse nachholen, ist mir bislang keine „bessere“ Schulform begegnet.

Berechtigte Kritik wäre zu veröffentlichen und in dem jeweiligen Kontext zur Verbesserung zu nutzen – auch in den Gesamtschulen. Andere Schulformen sind daneben mit den gleichen Kriterien zu beleuchten. Sollte es in den Augen der Mitglieder des „Arbeitskreises“ für sie persönlich lebbarere Schulformen geben, werden sie ihre Kinder sicher dort einschulen.

Die Angst vor Mobbing scheint mir bei 30 Pädagogen kein Grund, sich dem offenen Gespräch zu entziehen.

Meine Kinder (13 und 15 Jahre) sind mit kritischen Augen begeisterte und bislang erfolgreiche Gesamtschüler. Auch die Teilnehmer in den Schulabschlußlehrgängen mit denen ich arbeite, bewerten trotz ihrer bisher mißlichen Schullaufbahn ihre ehemalige Gesamtschule normalerweise besser als ehemalige Schüler von Gymnasien, Realschulen oder Hauptschulen.

Vor der vernichtenden Kritik scheint mir die Befragung der Schüler und die Suche nach Hilfs-, Beratungs- und/oder Supervisionsmöglichkeiten für die in der Regel engagierten und überbelasteten LehrerInnen angebracht. Rolf Scheyer,

Bergisch Gladbach

Ich bin froh, daß Sie das Thema Gesamtschule aufgreifen, obwohl es für Grüne eine Todsünde ist, wenn man den Verstand einschaltet und der Gesamtschule gegenüber den kritischen Blick wagt.

Nirgendwo sind so viele Personen, die sich zu den 68ern im weitestens zugehörig fühlen, in großer Zahl übriggeblieben, ohne je erwachsen zu werden, wie in den Kollegien der Gesamtschulen. Die Träger von Ideologiemuff sind die Letzten, die einsehen werden, daß sie Generationen verheizen.

Ich arbeite in der Wirtschaft, bin eher grün und taz-Leser, und kann ein Lied davon singen, daß Gesamtschüler grundsätzlich bei Einstellungen nach Haupt-, Realschul- und Gymnasialschülern genommen werden. Daß sich die verschworene Gemeinschaft schuldig macht, merken nur die Außenstehenden. Bedauerlich. Rolf D. Zens, Köln

Die Überschrift hätte zumindest ein Fragezeichen am Ende haben müssen. So steht die Behauptung nun da als unumstößliche Feststellung. Dabei handelt es sich aber nur um die Kritik einer Gruppe, sei sie nun gerechtfertigt oder nicht. Die Berichterstattung ist somit einseitig und läßt meines Erachtens die nötige Objektivität vermissen, um die tatsächliche Problematik darzustellen und für den außenstehenden Beobachter erkennbar zu machen. Peter Bongertz, Moers

Immer, wenn die Gesamtschulen über den grünen Klee gelobt werden, wird vergessen, daß der hehre Anspruch der siebziger Jahre, nämlich eine Drittelung der Schüler nach Hauptschülern, Realschülern und Gymnasiasten in Berlin schon lange nicht mehr eingehalten wird. An wenigen Gesamtschulen hat man diese Drittelung beibehalten, an den meisten anderen haben inzwischen 90 Prozent der Schüler eine Hauptschulempfehlung. Und die Empfehlung der Grundschule stimmt fast immer.

Aber für viele Eltern ist eine Ganztagsbetreuung und die Möglichkeit, doch vielleicht einen Realschulabschluß zu bekommen, ein sehr großer Anreiz – und wer möchte schon sein Kind auf eine Hauptschule schicken. Die Diskussion um die „Restschule“ zeigt Wirkung.

Merkwürdigerweise schicken die meisten Lehrer, die die Gesamtschule befürworten, ihre eigenen Kinder doch lieber auf ein Gymnasium! Barbara Voigt, Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen