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Todesliste für Angolas Journalisten

Der Mord an einem der prominentesten Publizisten Angolas zeigt: Trotz UNO-Mission ist Frieden noch fern  ■ Von David Lush

Die Zeichen standen bereits an der Wand, als der angolanische Publizist Ricardo de Mello am 18. Januar starb. Ende November letzten Jahres – wenige Tage nachdem Angolas Kriegsgegner den Friedensvertrag von Lusaka unterzeichnet hatten – hatten Vertreter der Gewerkschaft „Sindicato dos Jornalistas Angolanas (SJA)“ sich auf der Jahrestagung des „Media Institute of Southern Africa“ (MISA) gesorgt, „daß wir wegen der Intensivierung des Krieges eine weitere Zensur und Zunahme der Repressalien gegen unabhängige Journalisten erleben werden“. De Mello, Chefredakteur des Nachrichtendienstes ImparcialFax, wurde am frühen Morgen des 18. Januar vor seinem Haus im historischen Zentrum Luandas offensichtlich von einem Profi mit einem schallgedämpften Gewehr erschossen.

„Es ist klar, das war ein politisches Verbrechen“, sagt seine Frau Arminda Mateus. Sie wurde von einem Kind alarmiert, das de Mellos Leiche auf dem Treppenabsatz vor seiner Wohnungstür auffand. „Wir wurden die ganze Zeit verfolgt, selbst ich und mein Sohn sind bedroht worden. Die Militärs haben uns gestern gewarnt, daß mein Mann damit aufhören solle, Berichte über sie und den Krieg zu veröffentlichen. Solche Leute aus Regierungskreisen haben uns als Bedrohung gesehen wegen unseres unabhängigen Herausgeberstatus.“

Seit seiner Gründung im Februar 1994 veröffentlichte ImparcialFax Berichte, die in der angolanischen Presse bis dahin tabu waren. Es deckte Korruption auf prominenter Ebene und Kriegsvorhaben der Regierung auf. Im Laufe des Jahres wurden de Mello und seine Mitarbeiter immer wieder von den Behörden belästigt. Im November drohte dem Blatt wegen der Veröffentlichung von Einzelheiten einer Militärkampagne zur psychologischen Kriegführung sogar die Schließung. Zwei Monate später – ImparcialFax hatte gerade einen Aufsatz zu angeblichen lukrativen Diamantengeschäften der Frau von Staatspräsident Eduardo dos Santos veröffentlicht – mußte de Mello, der gute Beziehungen zu liberalen Kräften innerhalb der Regierungspartei MPLA pflegte, nun offensichtlich büßen.

Regierung und Unita machen Presse mundtot

De Mellos Tod erhöht die Zahl der Medienarbeiter, die in Angola seit Wiederaufnahme der Kriegshandlungen nach den Wahlen im September 1992 getötet worden sind, auf mindestens zwölf. Mindestens sieben weitere Journalisten gelten seit dieser Zeit als spurlos verschwunden. Einige Beobachter sprechen von allein zehn Opfern für das Jahr 1994. Die Verifizierung der Verletzung der Pressefreiheit wird zunehmend erschwert durch den Bürgerkrieg und die Anarchie.

MISA, eine in Windhoek ansässige Organisation zur Förderung unabhängiger Medien im südlichen Afrika, hatte im Dezember 1993 eine Mission nach Angola entsendet, um die Auswirkungen des Bürgerkrieges auf die angolanischen Medien zu untersuchen. „Es ist offenkundig, daß sowohl die Presse als auch die elektronischen Medien in Angola von der herrschenden Partei und der Regierung regelrecht mundtot gemacht werden“, berichtete das MISA-Team. „Die Medien und Medienarbeiter aus Gebieten, die unter Kontrolle der Unita-Rebellen stehen, unterliegen ähnlichen, wenn nicht gar härteren Kontrollen.“ Durch eine Kombination aus Angst, politischer Loyalität und mangelnder Ausbildung neigen die Journalisten zu strikter Selbstzensur, „während eine Anzahl Journalisten – vor allem die in höheren Stellungen – sich mehr als Parteifunktionäre denn als professionelle Journalisten sehen“.

Die MPLA-Regierung und der Staat kontrollieren die einzige Tageszeitung des Landes Jornal de Angola, die Nachrichtenagentur Angop sowie Ferhsehen (Televisão Popular de Angola) und Radio (Radio Nacional de Angola). Neben der direkten Herrschaft über die wichtigsten Medien hält die Regierung auch die Kontrolle über die Produktionsmittel im Mediensektor. Dazu gehört der Besitz der Printmedien und die Zuteilung von Lizenzen für Zeitungen und Radiosender. Einige vorgeblich private Zeitungen und Radiostationen wurden zwar in der Vorwahlperiode 1992 gegründet, werden aber von ehemaligen MPLA- Kadern betrieben.

Für kritische Journalisten besteht Lebensgefahr

In der kurzen Hochphase vor den Wahlen, wo relative Offenheit und Freiheit herrschten, gründeten einige hundert Journalisten aus dem gesamten Medienspektrum Angolas die unabhängige Journalistengewerkschaft SJA, die Kampagnen zur Pressefreiheit organisierte. Nach Wiederaufnahme der Kämpfe mußten ihre Mitglieder – darunter viele angolanische Korrespondenten von ausländischen Zeitungen und Radiosendern – die Hauptlast der erneuten Angriffe gegen die Presse sowohl durch die MPLA als auch durch die Unita tragen. Dem gleichen Druck ausgesetzt sind auch eine Handvoll privater Publikationen, die im Verlaufe des Jahres 1994 entstanden sind: Neben ImparcialFax sind dies Comércio e Actualidade, das sich mitunter auch solcher Themen wie Korruption und Zensur annimmt, Jornalismo Hoje, ein monatlich von SJA herausgegebenes Medienblatt, sowie Eco, ein Gesellschaftsmagazin in Hochglanzdruck, das einen erfrischenden Einblick in den angolanischen Alltag liefert. Die mächtige katholische Kirche – nach Meinung einiger Beobachter die einzige Organisation in Angola, die genug Macht besitzt, um eine eigene Presse ohne staatlichen Eingriff zu unterhalten – erwägt gegenwärtig, eine Wochenzeitung und einen Radiosender zu gründen.

Seit dem Mord an Ricardo de Mello besteht für Angolas Journalisten Gefahr für Leib und Leben. Die Journalistengewerkschaft ist im Besitz von Informationen aus „Militärquellen“, wonach vor allem Korrespondenten für ausländische Medien auf einer schwarzen Liste stehen. Darunter sind João Aguiar dos Santos (Korrespondent von Público), Gustavo Cosat (Expresso), Joao Faria (Diário de Noticias), Mario Paiva (Reuters und Channel Africa), Reginaldo Silva (BBC Portugiesischer Dienst) und der gesamte Mitarbeiterstab von ImparcialFax. „Die Leute haben uns gewarnt, vorsichtig zu sein“, sagt Silva. „Wir müssen ihre Warnung ernst nehmen.“

Der Autor ist Mitgründer und Mitarbeiter des „Media Institute of Southern Africa“ in Windhoek. Eine längere Form dieses Beitrages erscheint Anfang März in der Ausgabe 1/95 der Zweimonatszeitschrift „Afrika Süd“.

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