: You'll never forget
■ ... your first rape: Mit einem zweifelhaften Werbespot soll der Schokoriegel Daim an den Mann gebracht werden
„Erkennen Sie ihn wieder?“ wird sie gefragt. In voller Länge steht er da zur Gegenüberstellung, sieht aus wie all die anderen in seiner blau-roten Streetwear. Nein, auch im Profil erkennt sie ihn nicht. Wie sollte sie auch. Auf Äußerlichkeiten wird sie zur Tatzeit nicht geachtet haben. Erst als er vor ihr seinen schokoladenbraunen Körper entblößen muß, da ist sie sich endlich sicher und ruft: „Ja, das ist er!“ Der Daim-Werbespot.
Vielleicht erinnern wir uns noch vage an die zweifelhafte Rückkehr des Tchibo-Mannes in die Fernsehwerbung. Mit Schirm, Charme und Melone, wenngleich geläutert und nun natürlich gut Freund mit den Eingeborenen, stakste er letztes Jahr erneut durch die „Dritte Welt“. Kaum aber, daß er wieder da war, verschwand er auch schon erneut sang- und klanglos aus den Werbeblöcken. Ebenfalls verschwunden sind Onkel Dittmeyer und das kleine Mädchen. Aber wir erinnern uns: Es geschah am hellichten Tag.
Weiterhin wissen wir, welches Lied zum Bier wir Männer grölen müssen und warum. Wir Kinderkrankenschwestern wissen mehr über Saugfähigkeit als über Syntax, und wir Frauen ohnehin. Und auch wir Schwarzen wissen um die Werbewirksamkeit unserer geradezu animalischen Körperlichkeit, und um die schwierigen Flecken beim ersten Mal wissen wir alle sowieso.
Verblüffend ignorant, was die Firma Marabou uns allen zur Zeit tagtäglich mit ihrer Daim-Werbung zumutet. Gewiß, eine Gesellschaft, die politically correct mit politisch korrekt übersetzt und dabei ans „richtige“ Parteibuch oder ähnliches denkt, mag sich alsdann auch über die Frage nach der Notwendigkeit von political correctness hinwegsetzen dürfen. Nun ja, mag man sagen, verkehrte Welt, in welcher der Schokoriegel den Konsumenten vernascht. Ha ha. Perverse Welt aber, in der ein kriminalisierter Schokoriegel das einer beglückt jauchzenden Konsumentin angetan haben darf.
Natürlich, wer von Marabou kann was dafür, was sich einer oder eine so denkt dabei? Der Daim- Spot allerdings läßt in seiner konsequenten Verkürzung der Phantasie des Zuschauers eben nicht freien Lauf, sondern er läßt nur eine einzige Deutung zu: Daim ist lecker, und Frauen wollen vergewaltigt werden. Das ist nicht originär. Mit dieser Botschaft aber einen Schokoriegel an den Mann oder gar an die Frau zu bringen, ist nicht einmal originell. Daim ist lecker. Dein erstes Daim vergißt du nie! Christoph Schultheis
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