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Spaltet die Bosnien-Kontaktgruppe Großserbien?

■ Die internationalen Vermittler bieten Belgrad die Aufhebung der Sanktionen an / Sie erwarten dafür eine Anerkennung der Nachfolgestaaten Jugoslawiens

Washington (AP/taz) – Die internationale Bosnien-Kontaktgruppe will dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen anbieten – vorausgesetzt Belgrad erkennt zuvor Bosnien und die anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens diplomatisch an. Wie ein Regierungsbeamter in Washington mitteilte, einigten sich die Vertreter der USA, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Rußlands bei einem Treffen in Paris auf diesen Plan. Er wird ausdrücklich auch von US-Präsident Bill Clinton unterstützt.

Nach Darstellung des Regierungsbeamten verfolgt der Plan zunächst das Ziel, das auf vier Monate befristete Waffenstillstandsabkommen für Bosnien zu verlängern, das am Silvestertag unterzeichnet worden war. Außerdem soll, nach der Weigerung Zagrebs, das UNO-Mandat für Kroatien zu verlängern, ein Übergreifen des Krieges auf Kroatien verhindert werden. Darüberhinaus verfolgen nach Ansicht von Beobachtern die USA das Ziel, einen Keil zwischen die Serben Rest-Jugoslawiens und den Serben in Kroatien und Bosnien zu treiben. Würde Milošević die Unabhängigkeit dieser beiden Staaten anerkennen, wäre „Großserbien“ – eine Vereinigung der serbisch besetzten Gebiete mit Serbien – nicht mehr möglich. Eine Teilung Bosniens in einen muslimisch-kroatischen und einen serbischen Staat würde auch bei der Umsetzung des neuen Vorschlags jedoch nicht ver-, sondern allenfalls behindert: Die Kontaktgruppe fordert Serbien auf, Hilfslieferungen an die bosnischen Serben einzustellen. Allerdings sind alle Beteiligten skeptisch, ob Milošević auf das Angebot eingehen wird. Vielmehr müsse es als ein Versuch gewertet werden, aus dem Stillstand der Friedensvermittlung herauszukommen. Die Medien in Belgrad berichteten bisher nur von einem „neuen Vorstoß“, nicht aber von seinen Inhalt.

Der neue Vorschlag überrascht auch deshalb, weil die USA eine Aufhebung der Sanktionen stets mit dem Ende des Krieges verbanden. Als Washington vor einigen Monaten dennoch einer teilweisen Aufhebung zustimmte, mußte es erfahren, daß die damit verbundenen Bedingungen nicht durchgesetzt werden konnten. Serbien unterbrach seine Lieferungen an die bosnischen Serben nur für kurze Zeit.

Das neue Angebot beendet aber auch die Phase der direkten Gespräche mit den bosnischen Serben, die durch die Reise des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter Ende 1994 eingeleitet worden war. Nun ist nicht mehr Radovan Karadžić, sondern erneut Milošević der Verhandlungspartner Washingtons. her

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