■ Landowskys Verlierer-Kreuzzug: Spalten als Strategie
Die CDU macht sich wenig Illusionen, was sie bei den Abgeordnetenhauswahlen in Ostberlin zu gewinnen hat. Man wolle das Ergebnis halten, heißt das interne Wahlkampfziel. Das ist nicht viel. Schließlich wurde die CDU seit 1990 bei allen Wahlen auf unter 20 Prozent Stimmanteil zurechtgestutzt. Die Christdemokraten ziehen daraus den Schluß, auf Sozialneid und Spaltung zu setzen. Der CDU-Landesvorsitzende Diepgen, der für schnellere Gehaltsangleichung und Aufbau Ost eintritt, wird zum Propheten ohne Land. Ab jetzt wird wieder gegen den Osten gehetzt, gibt Fraktionschef Landowsky als Marschroute aus. Die Westberliner als Verlierer der Einheit auszurufen und Ressentiments gegen Ostberlin zu schüren, dies scheint Landowsky ein probates Mittel, die Klientel im Westen auszubauen. Politik ist das nicht, sondern ein Kulturkampf der alten Profiteure, die sich von Länderfusion und Abbau des überblähten öffentlichen Dienstes bedroht fühlen.
Wer behauptet, Westberlin werde durch den Abbau der Berlinförderung und einseitige Ost-Bevorzugung bei Altbausanierung und Industrieansiedlung benachteiligt, baut bewußt eine neue Mauer in den Köpfen auf. Von angeblich geringeren Arbeitslosenzahlen im Ostteil kann nur reden, wer Tausende von Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulungen und Frühverrentungen ausblendet. Verschwiegen wird, daß die Krise der Westberliner Industrie nach dem Mauerfall das vorhersagbare Ergebnis der verfehlten CDU-Politik war, statt zukunftsträchtigen Gewerbes lediglich Subventionsabsahner anzulocken.
Ob die Strategie erfolgreich ist, bleibt abzuwarten. Den Weg zu einer gemeinsamen Identität Berlins aber wird der Kreuzzug der radikalisierten Kleinbürger jedenfalls erschweren. Diepgen und Landowsky haben einst die CDU zur modernen Großstadtpartei gemacht und die verbrauchte SPD verdrängt. Der provinzielle Mief jetzt offenbart, daß die CDU den Blick für die ganze Stadt und den Kampf um Zukunftskonzepte aufgegeben hat. Gerd Nowakowski
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