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Verschwenden und verschwinden

■ Mit der Landung von US-Soldaten in Mogadischu wird die UNO-Somalia-Mission abgewickelt Um nichts Bleibendes zu hinterlassen, wird vor dem Abzug das restliche UNO-Eigentum zerstört

Nairobi/Mogadischu (taz) – Zum Abschluß der ausländischen Militärintervention erlebte Somalia gestern die gleiche Szene, mit der am 9. Dezember 1992 alles begonnen hatte. In der Nacht zum gestrigen Dienstag gingen Hunderte US-Soldaten am Strand der somalischen Hauptstadt Mogadischu an Land – genau 801 Tage nachdem auf diesem Weg die Soldaten der US-geführten „Operation Restore Hope“ zum erstenmal somalischen Boden betreten hatten. Anders als damals geht es jetzt nur darum, möglichst schnell und geräuschlos wieder draußen zu sein: Die insgesamt 2.000 Soldaten aus den USA sowie 300 aus Italien werden die letzten rund 2.400 Blauhelmsoldaten der UNO-Mission in Somalia bei ihrer Evakuierung vor angreifenden Somalis verteidigen. Ironischerweise lassen sich die US-Soldaten ihrerseits per Absprache von bewaffneten somalischen „Polizisten“ schützen.

Gestern bereits nach Nairobi ausgeflogen ist der UNO-Sonderbeauftragte in Somalia, der Ghanaer Victor Gbeho. Die 900 bangladeschischen Soldaten im Hafengelände wurden ebenfalls gestern eingeschifft. Auch die Evakuierung der 1.500 pakistanischen Blauhelme auf dem Flughafen von Mogadischu sollte gestern beginnen. Spätestens bis morgen abend soll nach den Planungen der letzte ausländische Soldat somalischen Boden verlassen haben.

Zum Abschluß der UNO-Mission, die einst unter humanitären Gesichtspunkten begonnen hatte, haben die Verantwortlichen noch schnell reinen Tisch gemacht. Fahrtüchtige Geländewagen in Mogadischu sind absichtlich von Bulldozern zermalmt worden; Blauhelmsoldaten wurden damit beschäftigt, Löcher in Plastikbecher zu bohren, um sie unbrauchbar zu machen; Betten und Matratzen in zurückgelassenen Lagern wurden angezündet.

Das sind Akte, die wie nichts anderes den Zynismus des ganzen UNO-Einsatzes aufzeigen. Vom Erlös eines Geländewagens könnten in Afrika zwei Schulen gebaut werden. Es ist ja vorstellbar, daß ein UNO-Buchhalter errechnet hat, der Wert solcher Gegenstände unter Berücksichtigung der Abschreibung mache einen Abtransport nicht lohnend; ebenso könnte ein UNO-Militärstratege davor gewarnt haben, bei Zurücklassung würden Fahrzeuge von somalischen Milizionären mit aufmontierten Maschinengewehren hochgerüstet. Innerhalb der geschlossenen Weltsicht, mit der die UNO in Somalia operiert hat, sind diese Argumente fabelhaft überzeugend. Doch gleichzeitig gibt es Hilfsorganisationen, die auch ohne UNO in Mogadischu bleiben; somalische Ärzte haben in den letzten Monaten wiederholt die UNO vergebens angefleht, ihnen Fahrzeuge zum Krankentransport zu spenden. UN-Sprecher George Bennett hat die Weigerung, dies zu tun, gegenüber der taz so begründet: Die UNO verfüge nicht einfach frei über ihr Eigentum, sondern müsse genaue Rechenschaft ablegen. Ist Zerstörung leichter abzurechnen als eine Sachspende? Anders als mit dem Wunsch nach Rache gegenüber den Somalis, die dieser UN-Mission den Erfolg versagt haben, läßt sich das Abschiedsverhalten der Vereinten Nationen in Mogadischu nicht erklären. Bettina Gaus/D.J.

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