: Bayerische Abschiebepolitik in Bremen
■ Der Senat überläßt Asylfragen allein dem Innensenator: Kein Abschiebestopp in Bremen
In seiner gestrigen Sitzung hat der Senat die von Helga Trüpel, Senatorin für Ausländerintergation, eingebrachte Vorlage zum Abschiebestopp für besonders gefährdete Flüchtlinge abgeschmettert. Die Konsequenz faßte Innensenator van Nispen, aus dessen Hand die Gegenvorlage stammte, in drei Worten zusammen: „Es wird abgeschoben.“
Den von Helga Trüpel geforderten Abschiebestopp für elf Krisengebiete, darunter Liberia, Togo, Zaire, Sierra Leone und Sri Lanka, wird es nicht geben. Der bis zum 14.5. befristete Abschiebestopp für iranische Staatsangehörige, den Helga Trüpel verlängern wollte, wurde mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Ebensowenig wird der für türkische Staatsangehörige kurdischer Herkunft bis zum 20.3. befristete Abschiebstopp verlängert, es sei denn, Bundesinnenminister Kanther verfügt eine Verlängerung im Einvernehmen mit den Ländern. Auch für Kosovo-Albaner besteht nach Meinung van Nispens in Serbien keine Gruppenverfolgung, sodaß seine Vorlage auch hier für Abschiebung plädiert.
Anders als von Senatorin Trüpel gehofft, hat der Senat nicht einmal im einzelnen entschieden, sondern lediglich die Positionen des Innensenators „zur Kenntnis genommen“, um ihm damit alle Befugnisse in die Hand zu geben. Da, und nur da, meint van Nispen, gehören sie hin. Er präsentierte der Presse das Ausländergesetz, um das zu belegen. Nach den Novellierungen durch den Bundestag 1990 und 93, dozierte er, sei, mit Ausnahme des Abschiebekomplexes, allein das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge für das Asylverfahren zuständig. Über Abschiebestopp und Vollzug, fuhr er fort, zeichne in Bremen der Senator für Inneres verantwortlich, und keine andere senatorische Dienststelle. „Der Innensenator und die nachgeordneten Ausländerbehörden haben keine andere Möglichkeit, als in diesem rechtlichen Rahmen zu agieren.“ Die Vorlage von Senatorin Trüpel sei folglich aus einer „Unzuständigkeit“ heraus entstanden, was der Senat erkannt und dementsprechend nicht als Kollegialorgan beschlossen, sondern seine Vorlage zur Kenntnis genommen habe.
Zur Kenntnis nahm der Senat auch, daß die Frage, ob Bremen im Bundesrat dem Antrag von Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt auf Änderung des §54 Ausländergesetz zustimmt (s.taz vom 13.3.), erst nach nach Abschluß der Ausschußberatungen im Rahmen der Vorbereitung der Bundesratssitzung im Senat entschieden wird. Doch van Nispen macht keinen Hehl daraus, daß er nichts davon hält, wenn zukünftig die Bundesländer mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit auch ohne Zustimmung von Kanther einen Abschiebestopp für mehr als sechs Monate verfügen können: „Ich habe meine verfassungsrechtlichen Bedenken angemeldet:“
Weiterhin nahm der Senat zur Kenntnis, daß AusländerInnen, die unter Verdacht stehen, gegen das BTM-Gesetz verstoßen zu haben, nach gemeinsamer Absprache zwischen dem Innen- und Justizsenator Scherf (SPD) grundsätzlich nicht unter erlassene Abschiebestopps fallen und somit auch ohne ordentliches Gerichtsverfahren ausgewiesen werden können. Das im Artikel 6 der Menschenrechtskonvention festgelegte Primat der Unschuldsvermutung habe im Ausländerrecht nun mal keine Gültigkeit. Im Fall des 17jährigen Kurden Halim B., der nach großem Druck der Öffentlichkeit im letzten Moment vor der Abschiebung bewahrt werden konnte, wurde eine echte Ausnahmeregelung getroffen, warnte van Nispen.
Helga Trüpel, gar nicht erst zur Pressekonferenz eingeladen, zeigte sich „bestürzt und enttäuscht darüber, daß sich die Bremer Asylpolitik nun in keinem Punkt mehr von der harten Linie des Bundesinnenministers Kanther und der bayerischen CSU unterscheidet.“ Mit dem Ausgang der gestrigen Senatsbefassung sei „Bremen nun endgültig zum Schlußlicht einer liberalen Flüchtlingspolitik“ abgestiegen.
Formal mag, räumte sie ein, der Innensenator Recht haben, wenn er sich zum federführenden Senator erkläre. „Aber dahinter stecken doch politische Entscheidungen,“ doch daran, meint sie, mag sich der mehrheitlich SPD-besetzte Senat vor den Wahlen nicht beteiligen. „Das Ergebnis der heutigen Sitzung ist jedenfalls ein Armutszeugnis für die SPD.“
Daß der Senatorin für Ausländerintegration durch den Senatsbeschluß auch die Verantwortung abgesprochen wurde, sieht sie indes gelassen: „Ich habe auch weiterhin was zu sagen. Ich habe machtpolitisch verloren, aber nicht moralisch.“ Dora Hartmann
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