: Pannen und Pleiten – der Chefarzt wird geopfert
■ Kunstfehlerprozesse, Ärztekündigungen und „Vetterles-Wirtschaft“ stürzen das Krankenhaus und einen Unterallgäuer Landkreis in die Krise
Mindelheim (taz) – In den gediegenen „Bürgerstuben“ zu Mindelheim hatten sich wie jeden Monat die niedergelassenen Ärzte der Unterallgäuer Kreisstadt zu ihrem Ärztestammtisch getroffen. Mit einem Mal wurde es mucksmäuschenstill in der Wirtsstube. Was offiziell noch als Geheimsache behandelt wird, erfuhren die Doktoren aus dem Mund eines besonders gut informierten Kollegen: Entgegen allen bisherigen Verlautbarungen soll der Chefarzt der Chirurgie am Kreiskrankenhaus durch einen Oberarzt aus Augsburg ersetzt werden. Der bisherige Chef, so der Redner weiter, könne ja die freie Oberarztstelle übernehmen.
Nun würde wohl niemand glauben, daß ein hochdotierter Chefarzt freiwillig einer Degradierung zum Oberarzt zustimmen würde. Noch dazu ein Chefarzt, von dem der amtierende Landrat und Chef des Krankenhauses, Hermann Haisch (CSU), immer lauthals verkündet, er genieße sein vollstes Vertrauen.
Am Mindelheimer Kreiskrankenhaus rumort es seit Jahren. Zwei Oberärzte waren fristlos gekündigt worden, nachdem sie eine lange Liste mit angeblichen Kunstfehlern ihres Chefarzt vorlegten. Nach einem langen Rechtsstreit mußte der Landkreis 438.000 Mark Abfindung zahlen. Und vor dem Landgericht Memmingen läuft seit Monaten aufgrund dieser Liste gegen den Chefarzt ein erster Kunstfehlerprozeß, der sicher nicht der letzte bleiben wird. Mindestens fünf weitere Patienten behaupten nachhaltig geschädigt worden zu sein und klagen gegen den Operateur.
Dem Unterallgäuer Landrat Haisch passen die vielen Schlagzeilen überhaupt nicht, zumal seine Unterstützung für den Chefarzt als „Vetterles-Wirtschaft“ gebrandmarkt wird. Seine alten Affären kommen wieder aufs Tapet: die Amigoreise mit Flugzeugbauer Grob oder das Kungeln mit dem Müllschieber Ludwig Gaum, der wegen seiner massiven Umweltverstöße rechtskräftig zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt wurde. Jahrelang hatte der Parteifreund des Landrates eine illegale Müllumladestation betrieben und damit das Grundwasser gefährdet.
Auch bei dieser Affäre fiel das Landratsamt nicht durch schnelles Durchgreifen auf. Ein Zufall sicher, daß der Müllverbuddler mal gemeinsam mit dem Herrn Landrat auf Urlaub war und daß er sein Wochenendhaus im idyllischen Weitnauer Tal alljährlich großherzig der Landkreis-CSU für die Klausurtagung zur Verfügung gestellt hatte.
Jetzt soll offenbar, allen Lippenbekenntnissen zum Trotz, dennoch gerettet werden, was noch zu retten ist. Auch wenn Haisch ausgesprochen ungehalten auf entsprechende Anfragen reagiert, wird intensiv mit dem Augsburger Oberarzt verhandelt. Dieser, bislang Assistent just jenes Professors, der auch zum Expertentrio in Sachen Kunstfehlervorwurf gehörte, soll neuer Chefarzt in Mindelheim werden. Der betroffene Chefarzt bestätigt, „daß es derzeit für mich sehr schwierige Gespräche gibt“. Beim ärztlichen Kreisverband hingegen möchte man die Sache noch gerne unterm Tisch halten. Es seien „verschiedene Denkmodelle möglich“. Der Landrat, der sonst als Triathlet großen Wert auf sportliche Fairneß legt, vergißt selbige in der Krankenhausaffäre schon gelegentlich. So mußte sich eine Mindelheimerin, die für die gefeuerten Ärzte Soldidaritätsunterschriften sammelte, massiv am Telefon beschimpfen lassen. Für Hermann Haisch heißt jetzt die Devise: wenigstens nach außen das Gesicht wahren – koste es, was es wolle. Klaus Wittmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen