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Großmaul hinter Gittern

■ Millionenbetrug mit Warentermingeschäften: Sechseinhalb Jahre für TuS Walles Ex-Mäzen

Wer das Maul am weitesten aufreißt, fliegt am härtesten auf die Fresse: Volker Brüggemann, Ex-Sponsor des Frauenhandball-Bundesligisten TuS Walle, wandert nach seinen millionenschweren betrügerischen Warentermingeschäften in den Knast. Das Landgericht Bremen hat den 53jährigen gestern zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

Für zwei Jahre und neun Monate könnte Brüggemann sich dabei die Zelle mit seinem Kumpel, Walles Ex-Manager Eddi Birr, teilen, mit dem er in besseren Zeiten einträchtig nicht nur bei seiner Warenterminfirma „Contracta“ arbeitete, sondern auch die Reservebank am Spielfeldrand und zuletzt die Anklagebank drückte. Mit „seinen Mädchen“ von der Nordsee-Liga bis zur deutschen Meisterschaft, dieses Ziel hatte Brüggemann sich 1986 für den TuS Walle gesetzt. Fortan aaste der Verein mit Geld und sein Sponsor mit großkotzigen Auftritten: Siebenstellige Summen zwackte Brüggemann von seinen Geschäften ab und steckte sie in Spielerinnen-Einkäufe und Profi-Verträge – ein Novum im deutschen Frauenhandball. Anfang 1992 kam dann der Verdacht auf, daß das Geld nicht aus sauberer Quelle kam – der sich jetzt nach 85 Verhandlungstagen bestätigte.

„Nirgends sind Harmonie, Freundschaft und Vertrauen so groß wie bei uns“, hatte Brüggemann zu Hochzeiten des TuS Walle 1991 getönt – das in ihn gesetzte Vertrauen seiner Kunden mißbrauchte er allerdings gründlich. Um fünf Millionen Mark betrog er allein einen Molkereibesitzer aus Schleswig-Holstein, der „Contracta“ in der Hoffnung auf das schnelle Geld rund 13 Millionen Mark für Spekulationen gezahlt hatte. „Skrupellos“, so das Gericht, hätten Brüggemann und seine Verkäufer leichtgläubige Kunden zu wilden Spekulationen animiert. Über die tatsächlichen Risiken der Spekulationsgeschäfte mit Getreide, Zucker, Aluminium und anderen Weltmarkt-Produkten ließen Brüggemann und seine Telefonverkäufer die Anleger im Unklaren. Von vornherein kassierten sie 35 bis 45 Prozent der Spekulationsgelder als Provision – der Anklagepunkt, daß die restlichen Gelder teilweise nicht einmal an der Börse plaziert wurden, hielt sich allerdings nicht. Die Spekulanten hingegen hatten bisweilen trotz mehrfachen Totalverlustes bei sechsstelligen Geschäften weiterhin Geld an die „Contracta“ überweisen.

Im zwei Jahre dauernden Prozeß wurde deutlich, wie Brüggemann sein eisernes Regiment zugunsten des TuS Walle geführt hatte: Mitarbeiter, die einen Fehler machten oder zu spät kamen, mußten Summen zwischen 500 und 3.000 Mark an den Verein „spenden“. „Wehren konnte man sich da nicht. Das Geld wurde sofort einbehalten“, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter vor Gericht aus. Spielbesuche beim TuS Walle waren obligatorisch, und wer nicht laut genug applaudierte, mußte 50 Mark spenden. Dieselbe Summe zahlten die „freien Handelsvertreter“ auf Provisionsbasis monatlich als Zwangsmitglieder im „Förderverein TuS Walle“. Im Gegenzug verdienten sie zwar durchschnittlich 12.000 bis 15.000 Mark monatlich, ging Sportsfreund Volker Brüggemann aber was gegen den Strich, packte er schon mal jemanden am Kragen, drückte ihn an die Wand und rief: „Dich mach' ich platt.“

Brüggemann und Birr, die zu Beginn des Prozesses absolut siegessicher auftraten und deren Anwälte das Verfahren so gut es ging verkompliziert und verzögert haben, kündigten Revision an, über die der Bundesgerichtshof entscheiden muß. skai

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