: Der Castor darf losfahren
Oberverwaltungsgericht Lüneburg läßt den Brennelementetransport von Philippsburg in das Zwischenlager von Gorleben zu ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Hannover (taz) – Der Spruch des Oberverwaltungserichtes Lüneburg kam kurz vor 15 Uhr. Der Castor aus Philippsburg darf nach Gorleben fahren. Doch die Vorbereitungen auf den Transport der neun heißen Brennelemente, die wahrscheinlich am Montagabend das AKW verlassen sollen, waren schon vorher von der nachmittäglichen Sitzung des Gerichts unbeeinflußt geblieben.
Für Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative, ist damit noch nichts entschieden. „Wir können das Dauerzwischenlager, das mit diesem Transport in Gorleben in Betrieb genommen werden soll, immer noch verhindern“, sagte er nach der Richterentscheidung. Vor allem von der Größe der Demonstration am heutigen Samstag hänge es ab, ob man die Reise des Castor noch stoppen könne. Die Bürgerinitiative ruft zu der Kundgebung heute um 11.55 Uhr auf dem Marktplatz in Dannenberg auf. „Alles, was danach passiert, ist Sache des Widerstandes“, sagte Ehmke, „und wir sind selbst gespannt darauf.“
Gespannt auf die Aktionen, die nun kommen werden, ist auch die Polizei. Schutzpolizisten aus zwölf Bundesländern und der Bundesgrenzschutz bereiten sich gegenwärtig darauf vor, den Behälter nach Gorleben durchzubringen. Allein für den Einsatz im Wendland hat Niedersachsen Kräfte aus acht weiteren Ländern angefordert, die Polizeien von Baden- Württemberg und Hessen werden daheim entlang der Transportstrecke im Einsatz sein. Für die Castor-Strecke im Wendland hat der Landkreis Lüchow-Dannenberg gestern ein Versammlungsverbot verhängt, das von heute bis Samstag auf den Bahnlinien Uelzen– Dannenberg und Lüneburg–Dannenberg und auf der Straße Dannenberg–Gorleben gelten soll. Die zwanzigseitige Verbotsverfügung, die minutiös die bisherigen Aktionen an den Strecken auflistet, zeigt aber auch, vor welch schwieriger Aufgabe die über 5.000 Polizisten und Grenzschützer stehen, die jetzt im Wendland zusammengezogen werden. Sie sollen über 60 Kilometer Schienen und Straßen schützen, verhindern, daß sich die Widerständler ihnen auf mehr als 50 Meter nähern. Für jeweils 50 Meter links und rechts der Strecke soll das Demonstrationsverbot gelten. Gegen die Verfügung des Landkreises hat die BI bereits Rechtsmittel beim Verwaltungsgericht Lüneburg eingelegt, auch wenn die Demo heute in Dannenberg keineswegs verboten ist. Auch der Landkreis geht davon aus, daß der Behälter am Montagabend in Philippsburg losfahren wird und am kommenden Dienstag im Wendland eintrifft. Da ein ungestörter Bahntransport etwa neun Stunden dauert, würde der Castor planmäßig in der Nacht von Montag auf Dienstag sich Gorleben nähern.
Die Polizei werde „ihren Auftrag erfüllen“, meinte gestern der Sprecher des Innenministeriums in Hannover. Allerdings wollte er auch nicht ausschließen, daß der Transport doch noch in letzter Minute abgesagt wird. Möglich sei alles, rechtlich möglich sei auch, daß ein Transport, der im Wendland auf Störungen treffe, auf ein nahes Bundeswehrgelände gebracht werde. Allein Niedersachsen rechnet derzeit mit Kosten von 28 Millionen Mark für den Polizeieinsatz, wobei die Zahlungen für die angeforderte Hilfe an die anderen Bundesländer eingeschlossen sind. Ministerpräsident Schröder will diese Kosten dem Bund oder auch dem Betreiber des AKW Philippsburg in Rechnung stellen. Die Staatskanzlei in Hannover kündigte eine Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten an.
In Göttingen hatten schon am Donnerstag abend 2.000 junge Leute gegen den Transport demonstriert. Als ein Teil von ihnen versuchte, auf Göttinger Bahnanlagen vorzudringen, wurden sie von der Polizei stundenlang eingekesselt. Als die Ordnungskräfte entgegen den Absprachen mit den Eingeschlossenen versuchten, doch einzelne festzunehmen, kam es zu einem Knüppeleinsatz.
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