: Heißkalte Furie
■ Ein „film noir“ mit allem & Ei: „Romeo Is Bleeding“ zeigt die fatalste femme und die dämmrigsten Hinterzimmer seit Marlowe
Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, Hollywoods Mainstream-Filme wären so schlecht, weil es an guten Drehbüchern mangelt. Schaut man sich die Branche allerdings genauer an, bekommt man den Eindruck, daß die Verantwortlichen sich einen Spaß daraus machen, gute Drehbücher einfach nicht zu verfilmen. Schließlich gibt es eine ganz offizielle „Top Ten der besten unverfilmten Drehbücher Hollywoods“. Die Autorin Hilary Henkin wollte sich mit ihrer Spitzenposition in der Hitliste der Verhinderten nicht zufrieden geben und produzierte die Verfilmung ihres gelobten aber stets abgelehnten Skripts „Romeo is Bleeding“ kurzerhand selbst.
Als Regisseur schnappte sie sich den Ungarn Peter Medak. Gary Oldman spielt den Cop Jack Grimaldi, der privat wie beruflich ein Doppelleben führt. Seine Frau betrügt er mit einer jüngeren Geliebten, seinen Arbeitgeber betrügt er, indem er die Aufenthaltsorte von Kronzeugen, deren Leben er eigentlich schützen sollte, an den zuständigen Mafia-Paten (Roy Scheider) weitergibt. So sollte auch das Schicksal der abtrünnigen Killerin Mona DeMarkov (Lena Olin) besiegelt werden, aber die Killerin entwischt ihren Killern. Der Don ist sauer, und nun soll Jack eigenhändig für Monas Abgang sorgen. Die resolute Dame wiederum will ihn selbst einspannen, um den Paten aus dem Weg zu räumen. Jack findet sich zwischen zwei menschlichen Monstern und ist keinem von beiden gewachsen. Als auch das Leben seiner Frau bedroht wird, kann er nur noch versuchen, den Schaden zu begrenzen. Für Heldentaten ist es längst zu spät.
Medak erzählt die Mischung aus Melodram, Thriller und schwarzer Komödie als lange Rückblende, die sich anfangs etwas zu viel Zeit nimmt bei der Schilderung von Grimaldis Alltagsroutine zwischen Beruf und Betrug. Sobald Jack und Mona allerdings aufeinander losgelassen werden, hören die Fetzen kaum noch auf zu fliegen.
Das ist nicht zuletzt Lena Olins Verdienst. Das Konzept der femme fatale scheint zwar altbekannt, aber man kennt es nicht wirklich, bevor man Olin als kalt- und heißblütige Furie erlebt hat. Die Inszenierung orientiert sich dick aufgetragen am Neo-film-noir mit rauchenden Menschen in schäbigen Hotelzimmern, die durch Jalousinen von Leuchtstoffreklamen angeblinkt werden. Regisseur Medak hat aber auch ein Herz für köstlich überkandidelten Slapstick, wie man ihn eher von Cartoon-Serien kennt.
Durch seine Aneinanderreihung von stilistischen Versatzstücken ist „Romeo is Bleeding“ nicht eben das originellste Werk aus 100 Jahren Filmgeschichte. Aber es ist angenehm, mal wieder einen Thriller zu sehen, in dem mehr passiert, als daß jemand ganz schnell Bus fährt. Andreas Neuenkirchen
Läuft in der Schauburg , täglich um 20 und 22.15 Uhr
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