Schließt ein, zwei, drei, ganz viele Scheinehen!

■ betr.: „Wer heiratet, macht sich verdächtig“, taz vom 19.5.95

Es zeugt von ekelerregender Naivität, widerwärtiger Realitätsfremdheit und einer rassistischen Trennung in „gute“ und „böse“ AusländerInnen, wenn die IAF von Scheinehen abrät, denn eine Scheinehe ist nicht strafbar, und im Falle von abgelehnten AsylbewerberInnen geht es oftmals um Leben oder Tod beziehungsweise um ein Leben in Freiheit oder im Gefängnis. Zudem zeigt sich bei der Ablehnung von Scheinehen durch die IAF, daß in den Köpfen der Damen wohl immer noch nur das Bild der heterosexuellen Zweierbeziehung besteht. Was machen wir denn mit den Lesben und Schwulen, die eine/n ausländische/n Partner/in haben und ihre Beziehung nicht legalisieren dürfen?

Es steht uns nicht zu, darüber zu rechten und zu richten, aus welchem Grunde ein/e AusländerIn in Deutschland leben will, aber wir haben die moralische Verpflichtung, ihm oder ihr zu helfen, hier leben zu können, was angesichts des verschärften rassistischen AusländerInnen- und Asylrechts immer mehr zu einem verzweifelten Marsch durch die Instanzen wird – Ausgang ungewiß.

Solange hierzulande ganz legal Heiratsinstitute ausländische Frauen mit deutschen Männern in Scheinehen verbinden, damit sich die Frauen hier prostituieren können/dürfen/müssen, solange SozialhilfeempfängerInnen und Arbeitslose gerne eine einmalige Zahlung für eine Scheinehe annehmen, weil sie unter dem Existenzminimum leben, solange es keine rechtliche Gleichstellung für nichteheliche und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gibt, empfehle ich: Schließt ein, zwei, drei, ganz viele Scheinehen! Kerstin Witt, Berlin