Koalitionsfronten formieren sich

■ Breites Bündnis für rot-grünes Wagnis / Alt-SPDler für Große Koalition

GewerkschafterInnen und Intellektuelle fordern gemeinsam die Mitglieder der SPD und deren Fraktion auf, sich bei der Basisbefragung eindeutig für eine Rot-grüne Koalition zu entscheiden. „Die SPD kann mit den Grünen eine Modernisierung des Stadtstaates in die Wege leiten“, heißt es in einem Aufruf, der gestern vorgestellt wurde.

Zu der überparteilichen InitiatorInnen-Gruppe gehören Betriebsräte der Stahlwerke Bremen (ehemals Klöckner) und der Deutschen Airbus, die DGB-Kreisvorsitzende Helga Ziegert, die Geschäftsführerin der Ausländerkulturvereine Güle Iletmis aber auch die Staatsräte Hoppensack und Morgenstern, WissenschaftlerInnen und Ortsamtsleiter Robert Bücking. Unterschiedliche Motive hat sie einander in die Arme getrieben, jede und jeder hat aber gute Gründe für die Verbundenheit.

Da ist zum Beispiel Wolfgang Jägers, Sekretär der IG Bau Steine Erden. Tags zuvor hatte er sich als SPD-Ortsvereinsvorsitzender für Rot-grün ausgesprochen. Gestern votierte er als Gewerkschafter dafür. Er und seine KollegInnen hätten erfahren, daß die Grünen damals zusammen mit der SPD gegen die Abschaffung des Schlechtwettergeldes im Bundestag gestimmt hätten. Da diese Regelung im Bundesrat mit einer rot-grünen Mehrheit immer noch zu kippen sei, trete er für dieses Bündnis in Bremen ein. „Die Bauarbeiter sind für die Grünen, um unsere Ziele zu erreichen“, sagt Jägers. Und er traut der SPD in der Koalition mit den Grünen eine Selbstfestigung zu. „Ich bin optimistisch, daß die SPD-Fraktion geschlossen stimmen wird.“ Wenn das mit einer knappen Mehrheit von zwei Stimmen nicht möglich sei, „dann müssen wir in die Opposition“.

Auch Peter Nowak, Betriebsrat des Bundesbahn-Ausbesserungswerkes, sieht mit den grünen Zielen Chancen für sich und seine KollegInnen. Die Betriebsgruppe Eisenbahn in der SPD hat gestern nachmittag ihre KollegInnen aufgerufen, für Henning Scherf und Rot-grün zu votieren. „Die Verbannung des Starßenverkehrs auf die Schiene birgt Chancen für Arbeitsplätze“, meint Nowak. Durch einen verbesserten – wie von den Grünen seit Jahren angestrebten – öffentlichen Nahverkehr steigere sich außerdem die Lebensqualität in der Stadt. Dann würden nicht mehr soviele Menschen hinaus aufs Land ziehen.

Birgit Geissler, Bremer Sozialwissenschaftlerin an der TH Hamburg, sieht in einer großen Koalition Gefahren für die politische Kontrolle der Bürgerschaft. Da CDU und SPD inhaltlich nicht übereinstimmen würden, müßten etwaige Entscheidungen „in kleinen Zirkeln vor der Parlamentssitzung abgestimmt werden“. Die Politik würde dadurch noch undursichtiger. Und Hauptinitiator des Bündnisses, Robert Bücking, glaubt, daß die gute Zusammenarbeit von Arbeitnehmern und Unternehmern wie bei der Klöckner-Rettung sich auch auf den öffentlichen Dienst übertragen lasse. „Die Grünen sind da effektiver, flexibler und ökonomischer.“

Die zornigen alten Männer der Bremer SPD um die Ex-Senatoren Konrad Kunick und Claus Grobecker und den scheidenden Bürgerschaftspräsident Dieter Klink sehen das anders. Sie haben eine „Initiative Bremer Sozialdemokraten für eine große Koalition im Lande Bremen“ ins Leben gerufen. Mit von der Partie sind auch die Werder-Chefs Willi Lemke und Franz Böhmert. In einer Erklärung forderten sie gestern ihre Genossen auf, bei der Mitgliederbefragung für Rot-schwarz zu stimmen. Damit solle ein „politischer Neuanfang der Bremer Sozialdemokratie“ eingeleitet werden.

Gründe dafür sehen die ausschließlich männlichen Unterzeichner in der wirtschaftlichen Kompetenz von SPD und CDU. Das mit dem Bund geschlossene Sanierungsprogramm sei die letzte Chance zur Rettung Bremens, 1997 müsse sich das Land in Bonn rechtfertigen. „Wir brauchen einen starken Senat mit einer breiten Mehrheit, um die dann notwendigen Verhandlungen erfolgreich führen zu können“, schreiben die SPDler in dem Aufruf. Die BürgerInnen würden nur so Zuversicht und Vertrauen in die Landespolitik bekommen. Die 26 Abgeordneten von AfB und Grünen würden durch eine starke Opposition dafür sorgen, daß „die Demokratie keinen Schaden nimmt“. ufo