: Versicherer bereichern sich durch Tauschwirtschaft
■ Aktionäre kritisieren Volksfürsorge wegen undurchsichtiger Aktiendeals
Berlin (taz) – Auf der Hauptversammlung der Volksfürsorge hat es Ärger gegeben. Ekkehard Wenger, Würzburger Betriebswirtschaftsprof und Schrecken aller Vorstände von Aktiengesellschaften, hat Klage wegen Verstoßes gegen das Aktiengesetz angedroht. Die Angriffe richteten sich gegen den Vorstand der Volksfürsorge, und mehr noch gegen Wolfgang Kaske, den Chef des Mutterkonzerns Aachener und Münchener Beteiligungs-AG (AMB), der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender bei der Volksfürsorge ist.
Um den AMB-Anteil an der Volksfürsorge von 50 auf 75 Prozent aufzustocken, soll AMB-Chef Kaske 1994 einen womöglich zweifelhaften Deal abgeschlossen und dadurch der Volksfürsorge und ihren Aktionären geschadet haben. Wenger bezieht sich auf ihm zugespielte Papiere.
Die schätzungsweise 770 Millionen Mark für das Aktienpaket konnte die AMB demnach leicht aufbringen. Denn der Aachener Versicherungskonzern nahm gerade 719 Millionen Mark durch Aktienverkäufe ein. Anstößig ist daran, daß die 719 Millionen ausgerechnet von dem gekauften Unternehmen aufgebracht wurden, also von der Volksfürsorge.
Die Volksfürsorge, früher ein Gewerkschaftsunternehmen, kaufte der AMB eine Zehnprozentbeteiligung an der BfG-Bank und 46 Prozent an der Central- Krankenversicherung ab. Professor Wenger meint, zumindest der Preis für die Central-Anteile sei deutlich überhöht. Und überhaupt, so fragen auch andere Wirtschaftsexperten, was sollte die Volksfürsorge mit der Central- Krankenkasse anfangen? Sie hat doch selbst schon längst eine Krankenversicherung, und braucht sich nicht noch eine weitere zuzulegen.
Die Gerichte sollen nun prüfen, ob es sich bei dem Deal um ein sogenanntes Umgehungsgeschäft handelte. Das Aktiengesetz verbietet Geschäfte, bei denen eine Gesellschaft (in dem Fall die Volksfürsorge) einer anderen (hier der AMB) ermöglicht, Anteile am eigenen Unternehmen zu erwerben. Warum der Vorstand der Volksfürsorge dem Kauf womöglich überteuerter Aktien von der AMB zustimmte, liegt auf der Hand: Die AMB hatte schließlich schon vorher mit 50 Prozent ein klares Übergewicht bei der Volksfürsorge, liebevoll Vofü genannt.
Den Schaden tragen neben den Versicherten, die der Gesellschaft ihr Geld anvertrauten, die Besitzer der restlichen 25 Prozent Vofü- Aktien, erklärt Hans-Martin Buhlmann von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. Das zweifelhafte Geschäft würde nämlich auf die Aktienkurse drücken.
Sowohl AMB als auch Volksfürsorge wiesen die Vorwürfe weit von sich. Der Vorstandschef der Volksfürsorge, Hans Jäger, sagte gestern, die Vorwürfe seien „völlig aus der Luft gegriffen“. Der heutige Preis für die Aktienpakete sei schon höher als der, den man damals gezahlt habe.
Jäger hatte sich bei dem Kauf nach eigenen Angaben auf Gutachten der Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG Deutsche Treuhand gestützt. Doch dieselbe KPMG hat vor fünf Jahren schon einmal den richtigen Aktienpreis bei einem AMB-Geschäft bestimmt. Auch damals wurden – ob zufällig oder nicht – gleichzeitig Deals mit anderen Firmen abgeschlossen, bei der die AMB deutliche Vorteile erzielte. Das Ermittlungsverfahren wurde jedoch Anfang 1993 eingestellt. Nicola Liebert
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