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Müdes Palaver um Abtreibungsrecht

Nach zweistündiger Debatte beschloß der Bundestag neues Schwangerschaftskonfliktgesetz  ■ Aus Bonn Karin Nink

Lang vorbei die Zeiten, in denen Frauen für ihr Recht auf Selbstbestimmung und für eine Änderung des Paragraph 218 auf die Straße gingen. Vorbei auch die Zeit, in der das Parlament temperamentvoll für eine mehrheitsfähige Änderung des Abtreibungsrechts bis weit nach Mitternacht stritt. Die gestrige Diskussion des Bundestages zur Neuregelung des Abtreibungsrechts war eine müde Pflichtveranstaltung.

Die Ankündigung von Frauenministerin Claudia Nolte (CDU), dem Gesetzentwurf aus Gewissensgründen nicht zustimmen zu können, weil ihr der darin formulierte Lebenschutz des Ungeborenen nicht weit genug gehe, erregte wenig Aufsehen. In wessen Nachbarschaft sich die Ministerin begab, wurde deutlich, als der Lebensschützer und CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe sprach. „Wer vor der Geburt tötet, kann auch nach der Geburt töten“, zitierte er unter lauten Unmußtsäußerungen den umstrittenen Philosophen Heinz Singer. Zuvor aber hatte er, vom Plenum völlig unkommentiert, von „Tätern“ gesprochen, die nach dem Gesetzentwurf straffrei ausgingen. Gemeint waren Frauen, die abtreiben, und Ärzte, die den Eingriff vornehmen.

Bis auf diesen ruhmlosen Höhepunkt plätscherte die Debatte vor sich hin: Die Rednerinnen der bündnisgrünen Fraktion, Rita Grießhaber und Kerstin Müller, griffen vor allem die SPD an, weil diese sich den Wünschen der Union gebeugt habe. Ihre Kritik: Die wörtliche Übernahme des Karlruher Urteils im strafrechtlichen Teil des Abtreibungsrechts führe zu einer fortdauernden Rechtsunsicherheit für die Beraterinnen. Immerhin sei dort der Schutz des ungeborenen Lebens als Beratungsziel formuliert worden, ohne auch den entscheidungsoffenen Charakter der Beratung zu betonen. Die hohe Bestrafung von bis zu fünf Jahren für jene, die eine Frau zur Abtreibung drängen, verhindere zudem eine vertrauensvolle Beratung.

Die Sozialdemokratinnen, die an dem Kompromißpapier mitgewirkt hatten, verteidigten ihre Entscheidung. „Das Ziel ist — anders als wir es uns vorgestellt haben — erreicht worden“, gestand Inge Wettig-Danielmeier (SPD), aber der gefundene Kompromiß verhindere, daß das Bundesverfassungsgericht immer wieder zum Schiedsrichter werde. Mit dem Konsenspapier seien Frauen nicht mehr von Dritten abhängig, ihnen bleibe der Weg zum Sozialamt erspart, und Ärzte stünden nicht mehr mit einem Bein im Gefängnis, warb sie. An die Kritikerinnen gewandt, verwies Wettig-Danielmeier auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: „Der Fortschritt wurde in Karlsruhe halbiert.“

Die Verhandlungsführerin der Union, Maria Eichhorn, konnte auf die deutlichen Erfolge ihrer Partei verweisen. So wäre ohne die Festschreibung des Beratungsziels im § 219 StGB „die Verhandlung gescheitert“. Nach dreistündigem Wortgeplänkel wurde der Kompromißvorschlag vom Bundestag ohne weiteres Aufheben beschlossen. Damit fanden mehr als zwanzig Jahre der Auseinandersetzung um das Abtreibungsrecht gestern ein unspektakuläres Ende.

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