: „'tschuldigung, Sie stören meine Hirnströme!“
■ Anti-Handy-Ini in Berlin gegründet / 15 Aktivisten gegen Telefone und Sendemasten / Wer bei Erkrankungen durch Handy-Wellen klagt, wird in Zukunft unterstützt
Ein Spion war unter uns. Er gab peinlich berührt zu, ein Funktelefon in seiner Brusttasche zu tragen. „Sagen Sie mal, sind Sie von der Telekom?“ fragte eine Frau scharf. „Ja, eigentlich schon“, sagte der Handy-Fan ohne schlechtes Gewissen. Was er bei der Gründung der „Bürgerinitiative gegen Funktelefone“ letzte Woche in Schöneberg wolle, fragte keiner. War ja klar, ein Spitzel.
Hans-Curt von Eicken, Baubiologe aus Schöneberg, ließ sich durch den Mann aus dem feindlichen Sendelager nicht irritieren. Er erklärte den etwa dreißig Zuhörern, warum die Wellen aus Handys und Sendemasten für den Menschen gefährlich seien. Der Lübecker Medizinphysiker Professor von Klitzing hat herausgefunden, daß die Wellen der Geräte die Gehirn- und Herzströme von durschnittlich siebzig Prozent der Menschen beeinflussen. Im Unterschied zu Kabeltelefonen arbeiten die Funkgeräte mit einem rhythmischen Impuls, der immer im gleichen Takt auf den Menschen einwirkt. Wie ein tropfender Wasserhahn. Diese regelmäßigen Impulse seien die Ursache für die Veränderungen im menschlichen Organismus. Eine Frage aber bleibt offen: Wenn Airbags in der Nähe von Handys in die Luft gehen, Flugkontrollgeräte unkontrollierbar werden und Herzschrittmacher aus dem Schritt geraten – mit welchen Symptomen reagiert der Mensch?
Mit Schlafstörungen, Hautausschlägen, Kopfschmerzen und Depressionen, vermuten die Gegner der In-Telefone. „Keiner weiß, was die Veränderung der Gehirnströme bewirkt“, sagte von Eicken. Theoretisch könnten bei einigen die Ströme für Glücksgefühle getroffen werden. Dann geraten diese Leute in Euphorie, wenn sie an einem Sendemast vorbeikommen.
Weil sie an positive Einflüsse nicht glauben, wollen die fünfzehn Gründer der Bürgerinitiative gegen diese Sendemasten vorgehen. Basisstationen für die Netze sollten nicht mehr auf Wohnhäusern errichtet werden, fordern die Funkgegner. „In Berlin steht in jedem Quadratkilometer ein Mast. Das ist so ein schlanker Turm, der aussieht wie ein zu hoch gewachsener Spargel, und darauf sind verschieden große Kästen“, beschreibt von Eicken. Auf drei Berliner Krankenhausdächern stehen diese Masten ebenfalls, nämlich beim Krankenhaus Zehlendorf, in Kaulsdorf und dem Klinikum Buch.
Gesundheitssenator Peter Luther hat den Gebrauch von Handys in sensiblen Bereichen, etwa Intensivstationen, verboten. Menschen, die bestrahlt und infolgedessen krank geworden zu sein meinen, will die Bürgerinitiative bei einer Klage gegen die Netzbetreiber unterstützen. Aber der Erfolg der Klage sei sehr stark vom Richter abhängig, sagt Wilhelm Krahn- Zembold, Umweltanwalt aus Nordrhein-Westfalen, der schon mehrere solcher Prozesse führte.
Denn die Gerichte gehen unterschiedlich mit noch ungeklärten Gefahren um. „Eines aber ist sicher: Wenn der erste Fall beim Bundesgerichtshof landet, dann gibt es eine unbequeme Entscheidung für die Betreiber. Denn nach der Rechtsprechung herrschen strenge Anforderungen an Produktforschung und deren Berücksichtigung“, so Krahn-Zembold.
Die Betreiber streiten alle Vorwürfe ab. Die Versuchsergebnisse von Professor von Klitzing seien nicht nachvollziehbar, sagt der Pressesprecher von Mannesmann Mobilfunk, Christian Schwolow. Seine Firma habe noch keinen Prozeß verloren, und „mit den besorgten Anwohnern reden wir natürlich“. Nina Kaden
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