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Gafrons Frösche auf S-Bahn-Gleisen

■ S-Bahn GmbH will ganze S-Bahn-Züge an Radiosender vermieten / Zwangsberieselung zwischen Erkner und Potsdam

Was für die einen „Zwangsberieselung“ ist, ist für die anderen eine „nette Art, Geld zu machen“. Das Pilotprojekt der S-Bahn GmbH unter dem Namen „Radio im Zug“, bei dem der Froschsender Radio Hundert,6 seit Mitte Mai vier S-Bahn-Waggons zwischen Erkner und Potsdam bedudelt, soll nach dem Willen der S-Bahn GmbH auf ganze S-Bahn- Züge ausgeweitet werden. Dadurch würde die derzeitige Fluchtmöglichkeit – Wechsel in einen der vier Wagen ohne Froschfunk innen und ohne grüne Froschlackierung außen – wegfallen.

Um die Weichen für die Ganzwagenwerbung noch besser zu ölen, herrscht derzeit Funkstille auf der S3 und Hochbetrieb in den Studios von Hundert,6. Berlins ältester Kommerzsender bastelt gerade an sieben CDs, die die seit Mai eingesetzte Zweistundenkassette ersetzen sollen. Der Umstieg auf ein höheres technisches Niveau soll dafür sorgen, daß die Hundert,6-Musik und die S-Bahn- Nachrichten das Schienengeratter übertönen, ohne daß die Fahrgäste einen Hörsturz erleiden. – Für die Pressesprecherin der S-Bahn GmbH, Susanne Krispin, ist „alles denkbar“, um die Kassen des Unternehmens aufzufüllen. „Wir wären happy über nächste Interessenten“, sagte sie. Das Angebot gelte für alle. Doch noch scheinen Interessenten rar zu sein. Der SFB beispielsweise besprach dieses Thema auf der Direktorenkonferenz. „Wir wurden gefragt“, sagte Redakteur Volker Schreck, „doch wir wollten nicht.“ Gründe dafür nannte er nicht. Die kultur- und verkehrspolitischen Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Albert Eckert und Michael Cramer, protestierten gestern gegen die „Zwangsbeglückung per Dudelfunk“.

Mit dem von Hundert,6 zusätzlich produzierten „Serviceteil“ will die S-Bahn GmbH nach Angaben von Pressesprecherin Krispin die Fahrgäste mit Informationen über Baustellen, Schienenersatzverkehr und Sonderzüge versorgen. Die S-Bahn bringt den Fahrgästen ihr Unternehmen nahe, indem sich „nette Leute“ wie Stellwerker oder Aufsichtskräfte per Funk vorstellen. Die eingespielte Musik schließlich soll der Entspannung dienen. Diese habe mit der klassischen Dudelmusik von Hundert,6 nichts zu tun, beteuerte Krispin, sondern sei „beruhigender und seichter“ – und das, obwohl der Radiosender das Band „in der Art wie seine Texte“ produziert. Die Pressesprecherin versichert, daß der Name Hundert,6 „nicht penetrant“ genannt werde.

Wieviel die S-Bahn GmbH mit dem Pilotprojekt „Radio im Zug“ verdient, verrät Krispin nicht. Nur soviel: Es sei eine „ganz nette Art, zu Geld zu kommen“. Auch bei Hundert,6 ist nichts über den Preis zu erfahren. Fragen zu diesem Thema beantwortet ganz allein „Oberfrosch“ Georg Gafron, der derzeit im Urlaub weilt. Assistent Sebastian Manz geht zumindest von „einer Sache auf Geschäftsführerebene“ aus. Da die S-Bahn GmbH beim Sender Hundert,6 als Sponsor am Verkehrsservice beteiligt sei, gebe es möglicherweise eine „Gegenteiligkeitsvereinbarung“. Barbara Bollwahn

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