■ Grüne regierungsfähig?
: Angeln nach Wählern

Bündnis 90/Die Grünen sind auf dem besten Wege, eine echte Volkspartei zu werden. Nicht länger mehr kümmert sich die Partei nur um LehrerInnen oder Mitglieder des öffentlichen Dienstes; nein, ganz wie die alte Tante SPD dient man sich jetzt auf der Suche nach Stimmen auch den einst eher als Randgruppe eingeschätzten Menschen an. Angeln soll billiger werden, fordert da beispielsweise der grüne Parlamentarier Hartwig Berger. Furchtbare 53 Mark kostet die Jagderlaubnis derzeit – in fünf Jahren. Hinzu kommt eine jährliche Fischereiabgabe von 40 Mark. Wohlwollend könnte man unterstellen, der grüne Abgeordnete stufte das Angeln als praktizierten Umweltschutz ein, weil mit der Rute der schwimmende Sondermüll, landläufig Fisch genannt, dem Wasserkreislauf entzogen wird.

Verständlicher wird der forsche Protest dadurch aber nicht. Der Anglerschein kostet jährlich knapp zehn Mark, also den Gegenwert von zwei großen Bier. Das kann sich selbst ein Sozialhilfeempfänger noch leisten. Den Vergleich mit den Monatsgebühren für ein Fitneßstudio braucht es gar nicht. Wenn es sich um jene joviale Geste handelt, die Volksparteien manchmal zu eigen ist, wenn sie allen alles versprechen, dann ist das schlimm genug. Wenn es allerdings ernst gemeint ist, wird es noch bedenklicher – besonders in Zeiten, in denen nur noch eines zu verteilen ist: die Schulden. Die werden in Berlin mit den Belastungen aus dem sozialen Wohnungsbau bald die 100 Milliarden Mark erreichen. Wenn künftig Reformpolitik so aussieht, dann muß man sich bereits jetzt Sorgen um die Regierungsfähigkeit der Grünen machen. Gerd Nowakowski