piwik no script img

Autokonsens gegen Öko-Steuerreform

BUND schilt Pläne von Ministerpräsidenten und Autokonzernen als Versuch, die ökologische Steuerreform auszuhebeln. Ministerpräsident Teufel macht gerne Lobbyarbeit für Autokonzerne  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Als „unheilvolle Allianz wider die ökologische Vernunft“ hat der BUND jetzt jenen „Automobilkonsens“ kritisiert, auf den sich die Ministerpräsidenten Gerhard Schröder, Erwin Teufel und Edmund Stoiber mit den großen bundesdeutschen Autoherstellern im wesentlichen geeinigt haben. Baden-Württembergs Ministerpräsident Teufel hat sich dagegen inzwischen mit Freuden zur der großen Automobilkoalition von Industrie und Ministerpräsidenten bekannt. Für einen Stuttgarter Regierungschef sei auch die parteiübergreifende Lobbyarbeit für den Automobilstandort Deutschland immer „eine sinnvolle Sache“, sagte der Sprecher der Staatskanzlei in Stuttgart gestern. In der Stuttgarter Staatskanzlei sieht man die Automobilkonsensgespräche „auf gutem Wege“. Ein Sprecher von BMW hatte schon am Freitag das Interesse von Industrie und Ministerpräsidenten an einer Einigung bestätigt. Gleichzeitig erklärt der Konzernsprecher allerdings, daß das Konsenspapier, das noch im August in Bonn vorgestellt werden soll, noch nicht freigegeben sei.

In Stuttgart betonte man gestern auch, daß Erwin Teufel schon „immer weitere Belastungen für die Automobilindustrie“ abgelehnt habe. Interessant sei deswegen an den Autokonsensgesprächen vor allem, daß sich daran neben Teufel und Stoiber auch der Sozialdemokrat Gerhard Schröder beteilige. Mit dem in Hannover koordinierten Konsens, der Automobilindustrie und Autofahrer für zehn Jahre von weiteren nennenswerten steuerlichen Belastungen freistellen will, spielt Schröder in der Tat einmal mehr die Rolle des SPD-Brutus. Das Konsenspapier, das der Industrie als Gegenleistung nur ein Bekenntnis zu „stabilen Beschäftigungsverhältnissen“ und zum Drei-Liter-Auto abverlangt, ist mit der SPD-Forderung nach einer ökologischen Steuerreform unvereinbar.

BUND-Bundesgeschäftsführer Onno Popinga wertete gestern denn auch die Gespräche der Ministerpräsidenten mit den Chefs von VW, Mercedes, BMW und Porsche als „Versuch, eine große Koalition gegen die ökologische Steuerreform zu schließen“. Das vierseitige Konsenspapier sehe lediglich Selbstverpflichtungen der Autohersteller vor und solche Selbstverpflichtungen hätten sich schon oft genug als wirkungslos, als untauglicher Politikersatz erwiesen, kritisierte Popinga. Die Linie des Konsenspapiers führe mit Vollgas in die Klimakatastrophe, da der Staat das Steuerungsinstrument „Preis des Autofahrens“ ohne Gegenleistung aus der Hand geben solle. Popinga forderte Schröder „dringend auf, noch die Finger vom Automobilkonsens zu lassen“. Schröder solle sich nicht einmal mehr zum Büttel und Sprachrohr der Wirtschaft machen.

In der Konsenssuche von Industrie und Ministerpräsidenten sieht der BUND eher ein „Rückzugsgefecht“ der Autolobby, dem sich die SPD insgesamt kaum anschließen werde. Arbeitsplätze lassen sich nach Ansicht von Onno Popinga durch den Konsens auf Dauer nicht sichern. Wer die Autoindustrie von weiteren Belastungen freistelle, konserviere bestehende Strukturen und fördere keineswegs ökologisch und wirtschaftlich notwendige Innovationen. Gerade mit dem „Weiter so wie bisher“, das in der Konsenssuche zum Ausdruck komme, drohe in der Autoindustrie ein dauerhafter Arbeitsplatzabbau auf lange Sicht und am Ende das gleiche Schicksal wie dem Steinkohlebergbau. In Schröders Staatskanzlei hieß es gestern, mit dem Automobilkonsens wolle sich die Autoindustrie dazu verpflichten, das gegenwärtige Niveau der Beschäftigung in ihrem bundesdeutschen Betrieben zu halten. Allerdings müsse der dafür stehende Begriff „stabile Beschäftigungsverhältnisse“ in dem Konsenspapier weiterhin noch präzisiert werden. Eine einklagbare, die Autounternehmen rechtlich bindende Verpflichtung werde allerdings in keinem Falle Resultat der Gespräche zwischen Ministerpräsidenten und Firmenchefs sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen