: Keine Eindringlinge!
■ Briefe in „Durchbruch“-Katalog zeigen Worpsweder Maler in neuem Licht
„Es liegt etwas sonderbar Altmodisches in ihrer Verehrung der Landschaftsmaler von Barbizon in einer Zeit, als andere Künstler schon auf die französischen Impressionisten aufmerksam geworden waren“, hieß es in einer Festschrift zum 100. Geburtstag eines Ortes, eines abgelegenen Dorfes, wo eine Handvoll Torfstecher ein beschwerliches Dasein führten: Worpswede. Sonderbar altmodisch, damit waren die Worpsweder Maler gemeint, Mackensen, Hans am Ende, Modersohn, Overbeck und Heinrich Vogeler, die sich 1889 zur Künstlervereingung Worpswede zusammengeschlossen hatten. Sechs Jahre später machte eine Ausstellung im Münchner Glaspalast die Kolonie bekannt. Woran wiederum die Ausstellung „Durchbruch“ erinnert, die derzeit in den Räumen der Kunstsammlung Böttcherstraße zu sehen ist.
Der Katalog dazu versammelt unveröffentliches Briefmaterial, das Aufschluß gibt über die Reaktion der Maler zu dem Münchner Großereignis. 300.000 Besucher kamen – für eine Kunstausstellung enorm. Fritz Mackensen etwa findet zwar, daß „der Kritikus Äder Bremer NachrichtenÜ ein Schaf war“, freut sich aber, daß sein Bild „Der Säugling“ von ihm „für 1000 M. verkauft“ wurde. Aber auch über das eifersüchtige Verteidigen des quasi jungfräulichen Künstler-Eilands: „Bedenke, daß es gilt, ,unser' Worpswede zu verteidigen, damit es nicht entweiht werde und herabsinke zu einem Neste, wo das Künstlerproletariat sich sommerliche Rendezvous gibt, die die edle Zeit vergeudet mit ,Künstlerstreichen' und romantischen Kneipereien, die nicht in unser Programm ehrlicher Arbeit und ernsten Strebens passen“, schreibt Otto Modersohn an Fritz Overbeck 1894. Atavistische Tugenden sind unüberhörbar. Wer einmal sein Revier abgesteckt hat, duldet keine Eindringlinge.
Interessant an dem Band auch Auszüge diverser kunsthistorischer Einschätzungen der Worpsweder. Denn inwieweit die Maler, die sich von der Kunstakademie Düsseldorf her kannten und lossagten, um den (modischen) Rousseau'schen Rückzug in die Natur anzutreten, tatsächlich die Kunstwelt bereicherten – das war nie eindeutig.
Schade nur, daß Fritz Mackensens Monumentalbild „Gottesdienst im Freien“, dem der Katalog ein ganzes Kapitel widmet, in der Ausstellung gar nicht zu sehen ist. Der Zustand der Malschicht läßt einen Tansport nicht mehr zu, so Maria Anczykowski, Direktorin der Kunstsammlungen Böttcherstraße.
Und dann sind da natürlich die Bilder, 78 Reproduktionen der fünf Worpsweder, die einen den Band immer wieder zur Hand nehmen lassen – und die den interessierten Laien versöhnlich stimmen, nachdem ihn der staubtrockene Wissenschaftsslang, der den Textteil durchzieht, etwas eingeschüchtert hat. Wie sagte hingegen Paula Becker, in der Einleitung zitiert, 1897 so erfrischend: „Worpswede, Worpswede, Worpswede! Versunkene-Glocke-Stimmung! Birken, Birken, Kiefern und alte Weiden. Schönes braunes Moor, köstliches Braun!
Alexander Musik
„Der Durchbruch“ Die Worpswder Maler in Bremen und im Münchener Glaspalast 1895“, Worpsweder Verlag 1995, 38 Mark
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